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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Prostitution und Ausnützung sexueller Handlungen, Diebstahl, Überfälle, Handtaschenraub, Pädophilie, Misshandlung und schweren Missbrauch von Minderjährigen. Eine endlos lange und schmerzliche Liste. Gewalt erzeugte Gewalt. Unter den ehemaligen Kindern war auch ein Mörder, der seine lebenslange Haftstrafe absaß. Max suchte sämtliche verfügbaren Akten zusammen. Später würde er sie nach Amaldis Anweisungen ordnen und sie ihm dann vorlegen. Amaldi würde sie schließlich eine nach der anderen durchsehen und sich bemühen, seinen Abschluss in Psychologie und seinen Ermittlerinstinkt nutzbringend anzuwenden.
    Bis dahin musste er versuchen, ein Täterprofil zu erstellen und alle Hinweise zu berücksichtigen, die er ihm gegeben hatte.
    Amaldi hatte mit dem Apfel begonnen. Die Stiche an den Lippen, womit der Apfel als Knebel fixiert wurde, zeugten vom rationalen, besonnenen Wesen des Täters; möglich, dass das Ganze auch symbolisch gemeint war. Denn der Apfel war ganz eindeutig eine Botschaft. Der Apfel und diese drei Zentimeter Zunge, die sie im Handschuhfach des Wagens gefunden hatten.
    Also, zu dem Apfel. Sämtliche Symbole, die mit einem Apfel zusammenhingen, so unterschiedlich sie auch erscheinen mochten, liefen am Ende doch alle auf das Gleiche hinaus. Paris’ Apfel der Zwietracht. Die goldenen Äpfel aus dem Garten der Hesperiden. Die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis, die Adam und Eva gegessen hatten. Der Apfel aus dem Hohelied, der mit seinem Geschmack und seinem Geruch den Samen des göttlichen Wortes verkörperte. Der Apfel, den bei den Kelten die Frau aus der Anderswelt Gondle übergab, und der ihn einen Monat lang ernährte, ohne dass die Frucht weniger wurde. Der Apfel, den die skandinavischen Götter aßen, um bis zum Ragnarök, zum Ende des herrschenden Weltenlaufs, jung zu bleiben. Avalon, der Apfelgarten, die Insel der Äpfel, die König Artus beherbergte, während er darauf wartete, sein Reich vom Joch der Fremden zu befreien. Merlin, der unter einem Apfelbaum seine Schüler unterwies, und Alexander der Große, der auf der Suche nach dem Wasser des Lebens in Indien Äpfel finden sollte, die die Priester dort bis zu vierhundert Jahre alt werden ließen. Für die Alchimisten stand der »Goldene Apfel« für Schwefel. In allen Beispielen rund um den Globus speiste sich die Symbolik aus der Tatsache, dass der Apfel in seiner Mitte einen Stern mit fünf Zacken barg, der von den fünf Zellen gebildet wurde, die die Kerne enthielten. Das machte ihn für die Eingeweihten zur Frucht der Erkenntnis und der Freiheit. Der Rückschritt des Geistes, der im Körper gefangen war, zu egoistischen Zielen ohne Rücksicht auf die Regeln der Gemeinschaft. Einen Apfel zu essen bedeutete dreierlei: den Verstand zu missbrauchen, um das Böse zu erkennen, das Gefühl, um das Böse zu begehren, und die Freiheit, um das Böse auszuführen.
    Außerdem war der Apfel, den der Mörder ausgewählt hatte, grün. Unreif. Eine unreife Frucht. Amaldi erfasste die ganze Bedeutung dieser Eingrenzung.
    »Die Frucht der Sünde …«, dachte er.
    Der Lehrer war nackt gewesen. Und aß einen grünen Apfel. Auf gewisse Weise kostete er also von einer Frucht, die aufgrund ihrer Unreife noch verbotener war.
    »Warum habe ich nicht gleich daran gedacht?«, sagte er laut.
    Das Brausen des Meeres klang wie eine Antwort.
    Amaldi machte hastig kehrt, sprang wieder von einem Stein zum nächsten, und zwar sehr geschickt, auf einmal spürte er den Schmerz in der Wade nicht mehr, der ihn in den vergangenen Monaten hatte hinken lassen. In heller Aufregung rannte er den steilen Pfad zu seinem Haus beinahe hinauf, bahnte sich seinen Weg durch die lärmende Schar Kinder, lächelte kurz Giuditta zu und stürzte zum Telefon.
    »Ispettore Frese bitte«, sagte er in den Hörer.
    Während Amaldi wartete, sah er in den Garten hinaus. Die Kinder drängten sich in dem frisch reparierten Piratenlabyrinth. Kinder. Noch unreife Früchte. So unreif wie grüne Äpfel.
    »Ja, hier Frese …«, hörte er dann am anderen Ende der Leitung.
    »Nicola, ich bin’s. Woran erinnert dich ein grüner Apfel, der in einem Mund steckt?«
    »An ein Schwein.«
    »Wie bitte?«
    »An ein gebratenes Schwein.«
    Amaldi schüttelte den Kopf. »Hör mal …«, meinte er. »Sag Max, er soll sich auf die Schüler des Lehrers konzentrieren, bei denen es in der Vergangenheit sexuellen Missbrauch gegeben hat. Jungen, die Pädophilen in die Hände gefallen sind. Und sag ihm, er soll

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