Inkubus
beim Schulamt nachforschen, ob irgendwer, die Eltern oder wer auch immer, Anzeige erstattet oder sich zumindest beschwert hat … wegen Garcovichs Verhalten seinem Sohn gegenüber …«
»Was hast du herausgefunden?«, fragte Frese ihn.
»Nichts. Ich habe gar nichts herausgefunden. Mir ist nur eine Idee gekommen«, fuhr Amaldi fort. »Und du musst auch etwas tun. Grab in der Vergangenheit des Lehrers nach, versuch herauszufinden, ob er vielleicht pädophil gewesen sein könnte.«
»Pädophil?«
»Ja, genau, Nicola, pädophil.«
»Haben wir es etwa mit einem Pädophilen zu tun? Willst du mir wirklich sagen, er war ein Kinderschänder?«
»Ich sage dir nur, dass es so sein könnte. Also lass nichts außer Acht.«
»In der Wohnung des Lehrers haben wir nichts gefunden, was auf so eine Schweinerei hindeutet …«
»Ja, ich weiß, darüber habe ich auch nachgedacht. Aber manchmal verstecken Pädophile sich nicht nur vor ihrer Umwelt … sondern auch vor sich selbst. Sie bauen sich eine neutrale oder eine künstliche Umgebung auf … die eine andere Sprache spricht, eine andere Geschichte erzählt. Ich möchte alles über sein Sexualleben wissen, hast du verstanden?«
»Geht klar.«
»Warte mal …«, Amaldi überlegte.
»Was ist …«
»Warte mal …« Dann folgte eine lange Pause.
»Ich warte …«
Ein Doppelleben. Ein Leben, das nach außen hin den Schein wahrt. Zwei verschiedene Sprachen. Als hätten mehr als zwei Hände den Lehrer getötet.
»Ich möchte alles über sein Sexualleben wissen …«
»Das hast du mir schon gesagt …«
»Grab einfach nach, Nicola.« Amaldi war so völlig in seine eigenen Gedanken vertieft, dass er auflegte, ohne sich von seinem Vize zu verabschieden.
»Wer bist du?« Er sprach die Frage laut vor sich hin, während er ruhelos im Zimmer auf und ab lief, eine Theorie im Kopf, die er nicht in Worte zu fassen vermochte, eine Annahme, an der sehr viel richtig und dennoch etwas falsch war. Trotzdem gelang es ihm nicht, seine Gedanken in klare Worte zu fassen. Er ging auf die Terrasse hinaus.
Draußen rannten die Kinder herum, schrien, lachten. Unschuldige Kinder.
»Wer bist du?«, fragte Amaldi sich noch einmal, während er sie beobachtete. »Ein Kind?«
»Was wäre ein Tanzlokal ohne Frauen?«, fragte Frese den jungen Max Peschiera und fuchtelte dabei gefährlich mit seiner Bierflasche herum, die er in der Hand hielt. »Ich meine, ohne all das, was dazugehört, die zusammengekniffenen Ärsche der Polkatänzer, die dicke Luft, die nach Schweiß und Zigaretten stinkt … heiß getanzte Schuhsohlen auf billigem, staubigem Parkett … stiere Blicke von eitlen Fatzken, die zu fortgeschrittener Stunde von Geilheit getrübt sind, die Kniffe in die Arschbacken der Tänzerinnen, leere, selbstverliebte Blicke oder verschleierte Schlafzimmerblicke, in denen Nacht und die Verheißung von Sex liegt. Was wäre ein Tanzlokal ohne Frauen?« Frese zog überlegen die Augenbrauen hoch, als wollte er damit zu verstehen geben, dass jeder, der auch nur einen Funken Verstand besaß so wie er, diese Frage beantworten konnte. Er schwieg kurz und sah Max an, der vor seinem Computer saß. »Ein Lokal voller Schwuler. Wenn du alle Frauen aus einem Tanzlokal entfernst, bleibt ein Schwulentreff übrig«, sagte er grinsend.
Max gab ihm mit einem Seitenblick zu verstehen, dass sie nicht allein waren.
Daraufhin drehte Frese sich um und stand nun plötzlich Chefinspektor Palermo gegenüber.
»Nichts für ungut …«, sagte Frese zu ihm ohne eine Spur von Verlegenheit.
Palermo deutete ein Lächeln an. »Kann ich mit dir reden?«, fragte er nur. Er hielt eine dicke Akte in der Hand, die mit einem Gummiband zusammengehalten wurde.
»Dann schieß los …«
Palermo schaute auf Max.
Frese winkte ihm, er solle ihm in den hinteren Teil des großen Raumes folgen, in dem die Abteilung Serienverbrechen untergebracht war. Doch vorher wandte er sich an Max und fragte ihn: »Du weißt also, was du zu tun hast?«
»Ja«, sagte der und widmete sich wieder konzentriert den Daten auf seinem Monitor. Der junge Archivar war fett, hatte eine platte Nase, kleine, blutunterlaufene Augen und Hasenzähne. Er schob eine Hand in die Tasche seines schmuddeligen, zerknitterten Hemdes und holte ein in fettiges Papier eingewickeltes Brötchen heraus. Dann gab er folgende Suchbegriffe ein: Pädophilie + sexuelle Gewalt + Opfer + Anklagen.
»Was gibt’s?«, fragte Frese Palermo, sobald sie am anderen Ende des Raumes angelangt
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