Inmitten der Unendlichkeit
positiver Stimmung – wie ein Becher mit Wasser am Gefrierpunkt, der nur noch einen einzigen Impfkristall benötigte, um schlagartig durchzufrieren. Korie wartete, hoffte, betete inbrünstig, daß dieser Kristall kommen würde…
Und dann murmelte Brik etwas. Einige Leute drehten sich nach ihm um und starrten. Der Morthaner wiederholte seine Worte lauter. Weitere Leute wandten sich um, und Münder öffneten sich fragend. Brik wiederholte seine Worte ein drittes Mal, und diesmal brüllte er fast. Und dieses Mal waren seine Worte im ganzen Hangar klar und deutlich zu hören. »Aufgeben ist keine Alternative.«
Und dann begann Helen Bach neben dem riesigen Morthaner zu klatschen. Langsam zuerst…
… und andere fielen ein. Erst einer, dann der nächste. Tor. Jonesy. Goldberg. Green. Stolchak. Williger. Ikama. Saffari. Cappy. MacHeath. Reynolds. Candleman… und schließlich entfaltete sogar der Leitende Ingenieur seine Arme und begann trotz seiner noch immer säuerlichen Mine zu klatschen. Langsam und kraftvoll. Hinter ihm begann die Schwarze-Loch-Bande zu klatschen. Und dann klatschte die gesamte Besatzung so laut und kräftig sie konnte. Hurrarufe. Schreie. Sprechchöre.
Korie spürte es zuerst in seinen Augen. Dann in seinen Eingeweiden. Und dann übermannten ihn seine Gefühle so schwer, daß er beinahe gestolpert wäre. Voller unverhülltem Stolz blickte er von einem Gesicht zum nächsten. Er ließ sich von der Macht ihrer gemeinsamen Emotionen überwältigen; er genoß den Augenblick. Freudenrufe erfüllten den Frachthangar.
In diesem Moment erkannte Korie zum ersten Mal, wie tief seine Gefühle für diese Mannschaft und dieses Schiff waren. Voller Dankbarkeit und Staunen sah er auf seine Leute hinunter, blickte ihnen in die Augen, einem nach dem anderen, und erkannte seine eigene Entschlossenheit, die sie auf ihn zurückwarfen. Er stand da, staunend, ehrfürchtig, und endlich, nach einer ganzen Weile… stahl sich ein leichtes Lächeln auf sein Gesicht.
Als der Lärm schließlich wieder verebbte, hob Korie die Hände ein ganz klein wenig von der Reling; gerade weit genug um anzuzeigen, daß er noch etwas zu sagen wünschte.
»Danke sehr«, begann er anerkennend. »Vielen Dank.
Jetzt weiß ich auch, warum Sie die Besten sind. Sie sind nicht kleinzukriegen. Egal was kommt. Egal wann oder wo, Sie sind nicht kleinzukriegen. Niemand schafft das.« Er beugte sich über die Reling, als wollte er ihnen die Hände schütteln. »Ich bin sehr, sehr stolz, mit Ihnen zu dienen«, fuhr er fort. »Ich möchte, daß Sie etwas wissen: Es ist wirklich einfach, stolz zu sein, wenn alles so läuft, wie es laufen soll. Das ist ganz einfach, das kann jeder. Aber es braucht gewaltigen Mut, so aufrecht zu stehen, wenn man im gesamten Universum alleine ist. Das ist der wirkliche Test für eine Mannschaft. Und ich möchte Ihnen sagen, daß ich noch nie zuvor so stolz auf Sie alle gewesen bin wie genau in diesem Augenblick.«
Er reckte eine Faust hoch in die Luft, eine Siegesgeste. Und dann, bevor die Stimmung des Augenblicks verfliegen konnte, wandte er sich um und ging.
Donnernder Applaus toste durch den Frachthangar. Er konnte ihn den ganzen Weg bis zurück zu seiner Kabine hören.
Zaffron
Als Jonathan Thomas Korie sechzehn Jahre alt war, wurde ihm bewußt, daß sein Vater nicht die finanziellen Mittel besaß, um ihn auf eine höhere Schule zu schicken. Er machte seinem Vater deswegen keine Vorwürfe, denn er wußte auch, daß sein Vater alles getan hatte, was in einer für ihn sehr schwierigen Situation in seinen Kräften gestanden hatte. Andererseits spürte Korie aber auch keine allzu überschäumende Zuneigung. Er wunderte sich sowieso über diesen eigenartigen Begriff von ›familiärer Liebe‹. Die Art und Weise, wie ›familiäre Liebe‹ in den Unterhaltungsmedien dargestellt wurde, zeigte sehr wenig Ähnlichkeit mit seinen persönlichen Erfahrungen. Dem jungen Korie schien es, als hielte sein Adoptivvater ihn auf Distanz; sein Verhalten erinnerte eher an das eines leidenschaftslosen Forschers, der die Entwicklung einer interessanten Spezies studierte, als an das eines Elternteils, das emotionalen Anteil an den Fortschritten des Kindes nahm. Kories Adoptivvater war ein in jeder Hinsicht reservierter und distanzierter Mensch, und Korie hatte oft unter dem Gefühl gelitten, daß ihre Unterhaltungen über einen weiten Abgrund von Erfahrungen hinweg stattfanden, den Korie nicht überbrücken konnte, ganz
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