Innere Werte
dieses arrogante Weibsstück sie als die bemitleidenswerte, arme Hintergangene zusammenbrechen sah. Schnell wandte sie sich ab und ging davon.
Katrin brauchte mehrere Stunden, um die neue Situation zu begreifen. Wie konnte sie sich dermaßen in Peter geirrt haben? Sie verstand es nicht. Hatte sie so eine schlechte Menschenkenntnis? Machte Liebe tatsächlich blind? War ihre Beziehung nur einseitig gewesen? Sie hatte immer geglaubt, dass man es merken müsste, wenn der Partner fremdging. Sie war tief verletzt und fühlte sich um ihr Glück betrogen. Obwohl Peter tot war, spürte sie Eifersucht in sich brennen. Diese Anja Schulte hatte ihn ihr weggenommen. Für so eine Frau war es sicher leicht, einen Mann wie Peter zu verführen. Katrin schätzte sie sehr berechnend und kaltschnäuzig ein. Sie hasste diese Frau. Aber sie war auch realistisch genug, um Peter ein gewisses Maß an Schuld zuzuweisen. Zu einer Affäre gehörten schließlich immer zwei.
»Ich hasse, hasse, hasse euch!«, schrie sie laut durch die Wohnung und brach anschließend in Tränen aus.
17
Martin warf einen Blick auf den Kalender. Heute war der sechzehnte Dezember, also nur noch acht Tage bis Weihnachten. Vielleicht sollte er sich langsam mal Gedanken über ein Geschenk für Karla machen. Es war in jedem Jahr dasselbe. Immer nahm er sich vor, die Geschenkfrage spätestens Anfang Dezember zu erledigen. Doch jedesmal hinderten ihn die Arbeit und das Bewusstsein, dass noch genügend Zeit blieb, daran. So gehörte er mit deprimierender Regelmäßigkeit zu denjenigen, die kurz vor Heilig Abend durch die Geschäfte hetzten auf der Jagd nach dem perfekten Geschenk. Es war eine Illusion zu glauben, dass sich das jemals ändern und das K11 in der Weihnachtszeit weniger zu tun haben würde.
In den Nachrichten begannen die Spekulationen, ob man wohl mit weißen Weihnachten rechnen durfte. Die Prognosen standen gut. Karla würde das gefallen, dachte Martin. Er selbst fand eine weiß verschneite Landschaft zwar auch hübsch anzusehen, musste aber zwangsläufig ans Schneeschaufeln und an glatte Straßen denken.
Er hoffte, dass sie im Fall Bielmann bis zum vierundzwanzigsten ein ordentliches Stück weiter waren, so dass er einigermaßen entspannte Feiertage genießen durfte. Voller Tatendrang machte er sich mit Michael auf den Weg zur Bero-Bank, die Liste der Telefonnachweise in der Tasche.
Nachdem sie beim Filialleiter, Herrn Lötzbeyer, gelandet waren und in gemütlichen Ledersesseln saßen, erklärte Martin ihm, worum es ging.
»Herr Bielmann hat mehrfach die Nummer Ihrer Zentrale gewählt. Für uns wäre es sehr wichtig zu wissen, mit wem er verbunden wurde. Deshalb die Frage, ob Ihre Telefonanlage aufzeichnet, an wen durchgestellt wird.«
»Sie haben Glück, seit etwa einem halben Jahr haben wir eine neue Anlage, die alle Telefonate protokolliert. Das heißt, auch die Weiterleitungen der eingehenden Anrufe. Allerdings können Sie sich vorstellen, dass hier täglich eine Menge Gespräche auflaufen. Man braucht eine enorme Speicherleistung. Unsere Anlage protokolliert alles, was nicht älter als zehn Tage ist. Ich weiß nicht, ob das in Ihrem Fall hilfreich ist?«
»Zum Teil.« Der Kommissar reichte Herrn Lötzbeyer die Liste. »In den markierten Zeilen sehen Sie Datum und Uhrzeit des jeweiligen Gesprächs.«
»Ja, das Gespräch vom achten Dezember dürfte kein Problem sein«, nickte Lötzbeyer. »Die anderen Anrufe sind zu lange her. Aber für den Mittwoch letzte Woche kläre ich das für Sie ab. Es könnte allerdings einen Moment dauern, bis ich die Daten vorliegen habe.«
»Prima. Ich nehme an, Herr Bielmann war hier Kunde?«
»Das lässt sich sofort feststellen.« Der Filialleiter tippte etwas in den Computer. Ein paar Sekunden später wandte er sich lächelnd an die Beamten. »Herr Bielmann hat hier ein Konto, auf das jeden Monat zweihundert Euro eingezahlt und als Rate für seinen laufenden Kredit verbucht wurden. Der Kredit beläuft sich zurzeit noch auf 58.675 Euro. Persönlichen Kontakt hatte er, soweit ich das sehe, nur mit der Kreditabteilung. Vor einem halben Jahr hat er einen weiteren Kreditantrag gestellt, den wir allerdings ablehnen mussten. Der Mitarbeiter, der sich darum gekümmert hat, ist Herr Schütz. Er ist sogenannter Teamsprecher in der Kreditabteilung für Privatkunden. Er hat die Gespräche mit Herrn Bielmann geführt und den Antrag bearbeitet.«
»Dieser Herr Schütz hat den Kredit dann auch abgelehnt?«
»Nein,
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