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Innerste Sphaere

Innerste Sphaere

Titel: Innerste Sphaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Fine
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bloß den Mund aufzumachen.«
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis Nadia den Inhalt der Dose aufgegessen hatte. Als ich ihr die letzte graugrüne Traube in den Mund gesteckt hatte, stellte ich die Dose weg und brachte Nadia dazu, sich hinzulegen. »Du kannst jetzt schlafen und ich passe auf dich auf.«
    Meine Panik über ihre Teilnahmslosigkeit verbarg ich, so gut es ging. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte gedacht, sie würde aus diesem Dämmerzustand gerissen, wenn sie mich sah, aber anscheinend zeigte das keinerlei Wirkung.
    Ich deckte sie zu. »Ich bin nebenan.«
    Als ich ins Wohnzimmer kam, saß Malachi auf der Couch, den Kopf auf die Hände gestützt. Obwohl er mich bemerkt haben musste, rührte er sich nicht. Wahrscheinlich war er wütend. Und hasste mich. Aber ich konnte nicht anders – ich wollte bei ihm sein. Also machte ich ein paar Schritte auf ihn zu, wartete. Endlich sagte er etwas.
    »Alles ist erledigt. Aber … ich habe Sil nicht gefunden. Ich glaube, er ist entkommen.«
    »O nein«, flüsterte ich. Mir wurde schwindlig. Ich hatte die Chance gehabt, ihn zu töten, und sie nicht ergriffen. Meine Schuld. Schon wieder. Welche Folgen würde dieser letzte Fehler noch haben? »Wirst du Jagd auf ihn machen?«
    »Ja. Aber nicht heute Nacht.« Er blickte auf und sah mich zum ersten Mal an. In seinen Augen lag so viel Schmerz, dass mir die Tränen kamen.
    »Es tut mir so leid, Malachi, alles.« Kaum brachte ich die Worte über die Lippen. Ich wollte, dass er mich festhielt, mich tröstete, aber ich konnte ihn nicht darum bitten. Nie wieder durfte ich ihn darum bitten.
    »Es muss dir nicht leid tun. Ana und ich haben unsere Entscheidung getroffen. Ich kann damit leben.« Seine Stimme klang ausdruckslos. Dumpf.
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Ich weiß es nicht. Wenn sie durch das Tor zurückkehrt, werden die Wächter sie entdecken und zurückbringen, aber sie wird … nicht die Alte sein. Wenn wir wieder in der Station sind, finde ich raus, ob sie gesehen wurde.« Wieder ließ er den Kopf hängen.
    Wie gern wollte ich ihm wenigstens einen Bruchteil von dem zurückgeben, was er mir gegeben hatte. Nur ein bisschen Trost. Aber ich wagte den Versuch nicht, weil er das bestimmt als Geste des Egoismus deuten würde, so wie ich mich bisher verhalten hatte. Ich ballte die Faust.
    Als er aufstand, sah er zu groß aus für das Zimmer. Damit ich ihm nicht in die Augen schauen musste, starrte ich auf den Boden. Es war zu schmerzlich, dieses Verlangen, dieses Sehnen, und dabei zu wissen, dass ich nicht war, was er brauchte. Dass ich nicht gut für ihn war.
    Er schnallte seinen Brustharnisch ab und legte Stück für Stück seine ganze Rüstung neben der Couch ab. Ich heftete meinen Blick auf seine Stiefel und sah, dass er auf mich zukam. Er griff mir unters Kinn, sodass ich ihn ansehen musste.
    »Hey, wie geht’s dir?«
    Miserabel. Alles tut weh. Ich brauch dich. »Mir geht’s gut.«
    »Stimmt nicht. Lass mal deine Hand sehen.«
    »Die ist in Ordnung.« Ich schaute auf sein Hemd. Das war leichter, als ihm ins Gesicht zu sehen.
    »Lüg mich nicht an«, sagte er ruhig.
    Ich machte ein paar Schritte rückwärts. Seine Wärme war zu viel. Zu groß die Versuchung, mich anzulehnen.
    Er seufzte. »Lela, du stellst meine Geduld auf die Probe. Bitte mach das nicht.«
    »Was mach ich denn? Ich gehe jetzt in die Wanne«, murmelte ich und floh so schnell ins Badezimmer, wie mich meine geschundenen Beine trugen. Meine Tränen hielt ich nicht zurück. Er war einfach zu nett.
    Ich schälte mich aus meinen zerrissenen Kleidern und fuhr zusammen, als ich die Striemen auf meinem Bauch sah. Es waren drei, fast zwanzig Zentimeter lang, aus allen sickerte Blut. Die Haut neben den Wunden war feuerrot geschwollen und empfindlich. Die Blasen auf meiner linken Hand nässten, die Haut daneben war verkohlt. Diese Stellen waren taub, taten also wenigstens nicht weh. Eine Ärztin war ich nicht, aber dass ich schlecht in Form war, sah ich auch so.
    Ich drehte das Wasser auf. Wenn ich die Wunden reinigte und den Rest von meinem lebenden Leichnam wusch, vielleicht ging es mir dann wenigstens kurz ein bisschen besser.
    Aber meine Verletzungen taten so weh, dass ich mich immer wieder an die Wand lehnen und tief durchatmen musste. Und dann kamen mir immer wieder die hilflosen Tränen, also hockte ich mich hin, legte den Kopf auf die Knie und dachte an Ana und Malachi und was ich angerichtet hatte. Als ich schließlich aus der Wanne stieg, zitterte ich

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