Innerste Sphaere
genug zu glauben, wir würden auf freien Fuß gesetzt, sobald wir dort wären.«
Die Gedanken, die ich unterdrückte, seit Nadia weggelaufen war, drängten an die Oberfläche. Malachi ließ mich nicht aus den Augen. »Lela, nimm das nicht auf die leichte Schulter. Es könnte böse Folgen für Nadia haben, wenn du sie in ihrem derzeitigen Geisteszustand vor den Richter schickst.«
Als er das sagte, fand in meinem Hirn eine Art Vulkanausbruch statt.
Er hatte recht. Vollkommen recht.
Jetzt hatte er ausgesprochen, was ich eigentlich schon wusste, aber nicht zugeben wollte. Es gab keinen Weg drum rum. Nadia musste aus der Stadt raus, nur so konnte es ihr besser gehen, davon war ich überzeugt. Aber wenn ich sie rausholen wollte, konnte ich sie nicht einfach vor den Richter schicken und das Beste hoffen. Da musste ich mich schon mehr anstrengen. Und zwar bald, weil ich nicht mehr lange hier sein würde.
Malachi setzte sich auf das Feldbett und nahm meine Hand. Diesmal wehrte ich mich nicht, ich war wie betäubt, fassungslos, traurig. Dann sah er mich mit diesen unglaublich hoffnungsvollen, verletzlichen Augen an und ich hätte beinah laut aufgestöhnt, weil es mir das Herz brach.
»Ich werde bald wieder vor den Richter treten«, sagte er leise. »Ich glaube, ich bin so weit. Und … ich dachte, vielleicht … ich hab mich gefragt, ob …«
Rasch drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen, weil ich es nicht ertrug, die Worte zu hören, die er aussprechen wollte. Niemals hätte ich nein sagen können, wenn er tatsächlich fragte. Er würde die Stadt verlassen. Und er wollte, dass ich mitkam. Er wollte mit mir zusammen sein. Was da draußen war, wollte er mit mir erforschen. Aber ich musste Nadia vor den Richter bringen. Ich würde mich für sie als Opfer anbieten. Um Gnade würde ich flehen und selbst die Zeche zahlen. Das war die einzige Möglichkeit, Nadia zu retten.
Ich drückte ihn auf das Bett, gierte danach, seinen Körper zu spüren, wünschte mir, dass er mich von meinem Kummer, meinem gebrochenen Herzen ablenkte. Wie immer hatte Ana recht gehabt – ich kapierte den Unterschied zwischen wollen und brauchen nicht. Ich wollte Nadia gesund machen, ihr Ritter in der glänzenden Rüstung sein, ihre Ritterin sozusagen.
Was ich aber brauchte, war Malachi, mit ihm zusammen sein, zulassen, dass er mich beschützte und mir vertraut war, und dasselbe für ihn tun.
Aber es war zu spät. Ich hatte mich schon meinem Plan verschrieben. Meine Entscheidung hatte festgestanden, noch bevor ichMalachi begegnet war. Die einzige Freundin, die ich je gehabt hatte, würde ich kein zweites Mal im Stich lassen. Und das hieß, ich musste Malachi im Stich lassen.
Beinah hätte ich wieder angefangen zu weinen, aber stattdessen öffnete ich die Lippen zu einem langen Kuss und ließ mich von dieser Empfindung mitreißen. Er griff in mein Haar und stöhnte. »Ich glaub, ich hab dir noch nie gesagt, wie sehr ich deine Haare mag«, flüsterte er.
Ich musste lachen. »Ist das dein Ernst? Die sind doch nur ein unkontrollierbares Durcheinander.«
»Sie sind wild, wie du. Sie wehren sich, wie du.« Er lachte leise. »Wie du lassen sie sich nicht aufhalten.«
Eine Weile lagen wir nur aneinandergeschmiegt da und kicherten, während er meine Locken wie einen Vorhang vor unsere Gesichter zog. Es war wie ein kleines Klubhaus. Nur für Mitglieder.
»Verspürst du hier drin den Drang, mir Geheimnisse zu erzählen?«, fragte ich scherzhaft und blinzelte die Tränen weg.
»Weißt du was?«, sagte er und sah mit diesem umwerfenden Lächeln zu mir auf. »Ganz klar. Hier ist eines: Wenn ich dich an dem Abend, als wir uns begegnet sind, nicht in diese Zelle gesperrt hätte, dann hätte ich dich auf der Stelle geküsst. Ich hätte nicht mehr aufgehört, dich zu küssen. Hättest du drum gebeten, hätte ich dir wahrscheinlich den Schlüssel gegeben und zugelassen, dass du mir eins über die Birne gibst. Das wäre mir die Chance, dich zu küssen, wert gewesen.«
»Warum hast du mich dann eingesperrt?«
»Weil mir klar war, dass du es eigentlich nicht wolltest. Ich hab gesehen, wie verängstigt du warst. Und da ist mir aufgegangen, wie sehr ich mir wünschte, dass du etwas anderes für mich empfindest.«
Du hast ja keine Ahnung, was ich jetzt für dich empfinde. Und wie elend mir deswegen zumute ist.
Ich knabberte an seinem Kinn, er schnappte nach Luft und zog mich enger an sich. Dann fuhr ich mit der Zunge über seinen Hals und er stöhnte.
Weitere Kostenlose Bücher