Innerste Sphaere
so.«
»Warum ist das so überraschend?«
»Das heißt, dass du noch keine Woche hier bist. Die Leute, die hier ankommen, sind für gewöhnlich völlig desorientiert. Das weißich aus Erfahrung. Ich habe mich ziemlich schnell gefangen, doch zuerst war es wirklich verwirrend … Aber du warst nicht durcheinander, oder?« Ana atmete hörbar aus und schüttelte den Kopf, endlich glaubte sie mir. »Weil du selbst entschieden hast zu kommen. So muss es sein. Ich meine, ich verstehe schon, wie wichtig Nadia dir ist, aber noch nie ist jemand freiwillig durch diese Tore gegangen, um jemanden zu suchen. Kein Wunder, dass Malachi so fasziniert von dir ist.«
Aus irgendeinem Grund gab mir Anas Kommentar einen Stich, der mir so schmerzhaft wie eines ihrer Messer in die Brust fuhr. »Mhm«, sagte ich heiser, »kein Wunder.«
Es klopfte vernehmlich an der Tür. Ana sah mich an. »Vergiss nicht, was du versprochen hast.« Sie fegte zur Tür und öffnete sie.
Ich hielt die Luft an, als Malachi den Raum betrat. Er trug frische Kleider, offensichtlich ihre Uniform – ein marineblaues tailliertes Hemd und eine Militärhose. Der Träger einer Umhängetasche schlang sich diagonal um seine Brust. Das Klimpern bei jeder seiner Bewegungen verriet mir, dass sie voller Waffen war. Ich biss mir auf die Lippe und fummelte an meinen Schnürsenkeln herum. Er sah wirklich, wirklich gut aus. »Wir müssen noch bei Michaels Werkstatt vorbei und die neue Rüstung abholen«, sagte er zu Ana. Mir warf er einen vorsichtigen Blick zu. »Bist du bereit?«
»Auf jeden Fall«, sagte ich eine Spur zu enthusiastisch.
Falls er bemerkte, dass ich kurzzeitig verblödet war, ließ er sich nichts anmerken. »Also gut, meine Damen, brechen wir auf.«
Michael, der Waffenmeister, hatte seine Werkstatt am westlichen Ende der Wächterstation, einen langen Marmorkorridor hinunter, der mit kunstvollen Gaslaternen an Wandleuchtern beleuchtet war. Malachi führte uns, seine Stiefel quietschten auf dem glänzenden, glatten Boden.
Er warf mir einen Blick über die Schulter zu. »Michael muss man mit Vorsicht genießen. Er ist ziemlich reizbar.«
Ana schnaubte, sagte aber nichts.
»Also, ähm, Raphael … Michael … Läuft Gabriel uns hier auch noch über den Weg?«, fragte ich mit dem Gefühl, etwas herausgefunden zu haben.
Anas Gelächter belehrte mich eines Besseren. »Nein, einen Gabriel gibt es hier nicht. Und Michael ist …«
Malachis Mundwinkel zuckten. »Er ist ein ganz eigener Typ. Aber ich glaube, einen Heiligenschein hat er noch nie besessen.«
Ganz am Ende des Flurs standen zwei Wächter vor einer aufwendig geschnitzten Flügeltür.
»Ghazi. Sofian.« Malachi nickte den beiden zu. Sie nickten ebenfalls und öffneten uns die Tür.
»Er ist heute Morgen gut in Form, Captain«, grunzte Sofian warnend. Ich hörte schon den Lärm, der nach draußen drang.
»Malachi? Bist du’s? Komm rein, du Napfsülze«, rief eine harsche Stimme vom anderen Ende der Werkstatt.
»Wie hat er dich gerade genannt?«, flüsterte ich und sah mich um.
»Grob übersetzt, einen Idioten«, wisperte Malachi zurück. Ana schnaubte schon wieder.
Es war nicht die kleine, kuriose Werkstatt, die ich mir vorgestellt hatte. Ich hatte ein kindliches Bild von der Werkstatt des Weihnachtsmanns im Kopf. Michaels Betrieb war eher eine Fabrik. Es erinnerte an einen riesigen Eisenwarenladen. Reihen von Metallregalen erstreckten sich vor uns, jedes bestückt mit anderen tödlichen Accessoires. Hier gab es genug Krummsäbel, um eine ganze Armee auszurüsten. Auf den Regalen drängten sich Messer in allen Formen: kurze und lange, gebogene und gerade, gezahnte und welche mit angsteinflößenden Widerhaken. Und Rüstungen – stapelweise Rüstungen.
»Woher kommt das ganze Metall?«, wollte ich wissen.
»Das wissen wir nicht«, entgegnete Ana. »Nur Michael weiß das.«
»Malachi! Du Torfnase, was für ein Dämlack missbraucht eine schöne Waffe wie diese?«, brüllte Michael, während es so grell schepperte, dass ich erschauerte und mir die Ohren zuhielt.
Malachi schloss die Augen, als betete er um Geduld, und ging an einem Regal mit Wurfsternen entlang weiter in die Werkstatt hinein.
Ich konnte mir die Frage nicht verkneifen. »Wie hat er dich diesmal genannt?«
Malachi warf mir einen Blick von der Seite zu und verdrehte die Augen. »Wieder einen Idioten.«
»Glaub mir«, sagte Ana, »das ist besser als seine chinesischen Beschimpfungen. Vor zwei Jahren waren
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