Ins Eis: Roman (German Edition)
Frieden ruhen lassen, so wie Kristoffer gestorben war: auskühlend unter im Wind peitschendem Schnee.
Vielleicht würde sie dann auch endlich aufhören, sich von Spitzbergens Gespenstern jagen zu lassen.
Der Morgen brachte den nächsten Eklat. Das Frühstück verlief noch friedlich, danach bepackten die Musher ihre Schlitten für den zweiten Teil ihres Abenteuers. Kirsten war die Letzte, die fertig wurde; bis auf sie und Tobias waren alle startklar. Das lag nicht nur an Jonas, der ihr ständig zwischen die Beine geriet, auch ihre Hunde schienen es diesmal nicht eilig zu haben aufzubrechen. Entweder blieben sie einfach liegen, während Kirsten ihnen die Geschirre überstreifte, oder sie drängten sich unter ihre Finger, wollten gekrault werden. Vega, die Leithündin, schnüffelte ausgiebig an Kirstens Fleecehandschuhen, deren ursprüngliches Braun mittlerweile unter einem zweiten Pelz aus angehäuften Hundehaaren verschwand. Gerade zog Kirsten der Hündin ein paar Booties über, da brach hinter ihr die Hölle los.
Tobias hatte seinen Frontanker zu früh gezogen und nicht aufgepasst. Seine Leithunde waren nach links gewandert, den Rest des Teams hinter sich herziehend. Aufgeregt, da sie dachten, es ginge schon los, warfen sich die Hunde ins Geschirr. Die Hauptanker, nicht tief genug im Fjordeis verankert, lösten sich, der Schlitten setzte sich in Bewegung. Tobias versuchte noch, von hinten auf die Kufen des davongleitenden Schlittens zu springen, verfehlte sie aber und landete auf dem Bauch. Ungebremst rannten seine Hunde auf die Hütten der Schiffshunde zu, die ihrerseits hervorschossen, mit zurückgezogenen Lefzen, die langen Reißzähne entblößt. So begann die Beißerei.
Die Hunde waren kaum wiederzuerkennen. Zwei der Schiffshunde stürzten sich von den Seiten auf Tobias’ Leitrüden, von hinten drängte der Rest des Gespanns nach. Ketten klapperten, die Wheeldogs – das hinterste Hundepaar – sprangen übereinander und verhedderten sich in ihren Leinen, während die Schiffshunde nach ihren Beinen schnappten. Ihre Ketten rissen sie zurück, bevor sie zupacken konnten, aber dann setzte der eine Wheeldog nach, zähnefletschend, geifernd, die Schnauze bis zur Stirn gekräuselt. Eine Kakophonie aus Knurren, Bellen, Kreischen legte sich über das Knäuel. Die anderen Gespanne, sich nun ebenfalls aufgeregt gegen ihre Zugleinen werfend, stimmten aus der Ferne in den Lärm mit ein. Kiefer schnappten zu, Zähne zerrten an Fell und Geschirren. Der Schlitten rumpelte nach rechts, als sich die Wheeldogs auf einen Schiffsrüden stürzten. Kirsten beeilte sich, Jonas einzufangen. Von links rannte Oda herbei. Sie schrie Tim etwas zu, deutete auf Tobias’ Leithunde, die das ganze Gespann tiefer zwischen die Hundehütten zerrten, attackiert von zwei dunklen Mischlingen.
Tim rannte nicht. Er überwand die Distanz zu den kämpfenden Hunden mit wenigen gleichmäßigen Schritten, griff zu und riss den größten der Schiffshunde am Nackenfell in die Höhe. Zähnefletschend, sein Kopf auf Tims Kinnhöhe, versuchte dieser, sich wieder in den Kampf zu stürzen. In der Zwischenzeit schnappte einer der Leithunde nach der Flanke des größeren Rüden. Tim trat ihm von oben auf die Schnauze. Er zerrte den Hund, den er gepackt hielt, aus dem Gewühl, während Oda einen anderen ohne viel Federlesens an den Hinterbeinen hochriss und zur Seite schleuderte, wo Ingrid ihn zu fassen bekam und festhielt. Dann waren die Crewmitglieder der » Noorderlicht« da, halfen, die Hunde zu trennen. Hartmut und Fredrik packten sich Tobias’ Leithunde und zogen das belfernde Gespann fort von den Schiffshunden. Erland kam ihnen zu Hilfe, gefolgt von Peter. Gemeinsam zerrten sie das Gespann und den Schlitten in einem Bogen dorthin zurück, von wo sie gestartet waren. Kurz darauf beendeten die übrigen Gespanne ihr hysterisches Gekläffe. Langsam kehrte wieder Ruhe ein. Tim und Oda knieten neben einem von Tobias’ Hunden und untersuchten dessen Pfote. Blutstropfen sprenkelten den Schnee. Jonas zitterte in Kirstens Armen.
Tim und Oda berieten sich auf Norwegisch, dann nahm Oda den verletzten Hund und tauschte ihn mit einem aus Tims Gespann aus. Der Aluminiumbox des Schlittens entnahm sie einen Beutel mit Arzneimitteln. Sie stopfte dem Hund ein paar Arnikakügelchen ins Maul, Tim richtete unterdessen Leinen und Ketten von Tobias’ Team. Zwei der Huskys winselten, als Tim sie enthedderte. Er redete leise mit ihnen, während er ihre Körper auf
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