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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
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einen ganz ähnlichen Ton von sich gegeben. Der Kuss von Schiffsrumpf auf Eis, hatte Kirsten gedacht, und war mit klopfendem Herzen aus dem Bett geschossen.
    Elisabeth saß wie vom Donner gerührt ihrem Bruder gegenüber. »Wie kannst du nur etwas so Fürchterliches sagen?«, flüsterte sie.
    Hartmut sagte, er wolle nur vorschlagen, dass Oda und Tim mit den Motorschlitten hinfahren und das Hundeteam zum Schiff bringen sollten. Kirsten dachte: Dann wäre Erland ja ganz allein dort draußen.
    »Keiner von uns wird bei diesem Wetter, und bevor nicht die Polizei da ist, irgendwohin fahren«, stellte Oda klar. »Außerdem werden sich die Hunde nicht losreißen oder gar in das Zelt eindringen. Wer hat sie gesichert?«
    »Tim«, antwortete Kirsten.
    »Dann werden wir sie morgen genau dort finden, wo sie waren, als ihr sie verlassen habt.«
    »Wo ist das Gewehr?« Hartmut schien im Geist eine Liste zu haben, an der er sich abarbeitete. Die Suche nach verlorener Kontrolle.
    »Das Gewehr ist sicher verstaut. Niemand wird es mehr anfassen.«
    »Es ist jetzt bestimmt voll mit Tims Fingerabdrücken.«
    »Das war es auch vorher schon.« Oda klang zunehmend gereizt. Ingrid merkte an, sie finde es beeindruckend, wie sich alle in der schrecklichen Situation verhalten hätten. Niemand habe hysterisch reagiert, alle hätten getan, was nötig gewesen sei, ohne Diskussionen, Zähneklappern, Reibereien. Monika entsetzte alle, indem sie zischte: »Das liegt daran, dass sie in dieser Familie doch alle kalt sind! Egozentrische selbstherrliche Alphatiere! Die sind es doch gewohnt, über jede Leiche hinwegzutreten und sich dann seelenruhig die Hände zu waschen!«
    Danach begann sie wieder zu schluchzen. Der Rest blickte sich bestürzt an. Selbst Fredrik hörte endlich auf, reglos aus dem Fenster zu starren, und wandte sich seiner älteren Schwiegertochter zu. Diese schien seine Aufmerksamkeit zu spüren, denn sie hob den Kopf und bleckte die Zähne.
    »Ja, genau du, Fredrik!«, schrie sie. »Schau dir nur an, was du getan hast! Du mit deiner bescheuerten Idee, die doch nur Kristoffer gefallen hat, und was hat sie ihm gebracht? Dasselbe wie meinem Erland. Du hast uns zu Witwen gemacht, Fredrik! Verdammt, hast du denn gar nichts dazu zu sagen?«
    »Es war ein Unfall. Es waren alles Unfälle.« Fredrik schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, doch der Ausbruch blieb aus. Stattdessen wandte er sich erneut ab, zurück zum Fenster und dem Wetter Svalbards. »Ich habe ihn nicht getötet«, murmelte er. »Ich habe ihn nicht getötet.«
    Tanja machte den Mund auf, doch Peter kam ihr zuvor und schlug vor, dass sich alle erst einmal beruhigen sollten, bevor jemand noch Dinge sagte, die er oder sie später bereuen würde. Beleidigt schürzte Tanja die Lippen. »Peter, also ich finde, dir steht es nicht zu, uns zu maßregeln. Wir sind keine kleinen Kinder, und du gehörst nicht zur Familie. Du hast keinen Liebsten durch diesen grausigen Zwischenfall verloren. Natürlich müssen wir darüber sprechen.«
    »Hör ich da deinen Psychotherapeuten oder deine Frisörin?«, fragte Elisabeth spitz.
    Begütigend legte Peter ihr eine Hand auf den Unterarm. »Erland stand auch mir nahe, Tanja«, sagte er ruhig. »Wir waren enge Kollegen, wenn ich dich daran erinnern darf. Er war ein guter Mann; ich habe viel von ihm gelernt. Er war fast wie ein Bruder für mich.«
    Ungläubig starrte Tobias von Peter zu seinem Vater und von dort zu Kirsten. Hartmut saß regungslos mit unbewegtem Gesichtsausdruck da. Kirsten fing Tobias’ Blick ein und schüttelte sacht den Kopf. Doch dann war es Monika, die stöhnte: »O Gott, wie ich all diese geleckten Lügen satthabe!« Sie stand so plötzlich auf, dass der gesamte Tisch ins Wanken geriet. Kaffee schwappte über, eine Gabel klirrte auf den Boden. Kirsten rutschte zur Seite, um Monika vorbeizulassen. »Ihr seid doch alle nicht das, was ihr vorgebt«, schrie Monika, und das Schiff schien unter ihrer verzweifelten Wut zu erzittern. Fredrik stemmte sich an seinem Tisch in die Höhe. Für einen Moment standen er und Monika Angesicht zu Angesicht. Er streckte die Hand nach ihr aus.
    »Und du, Fredrik«, fauchte sie, seine Hand beiseiteschlagend, »du bist der schlimmste Schauspieler von allen!«
    »Will ich wissen, was eben los war?«
    Tim blies grauen Rauch in die weiß wirbelnde Luft. Sie standen draußen, im Windschatten des Schiffs, und beobachteten Jonas, der dem Sturm trotzte und für Bridgestone einen Windschutz aus Schnee

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