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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
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was Erland macht?«
    Sie sprach deutsch. Kirsten, an Ingrids Seite und darauf bauend, dass Tanja das Thema fallen lassen würde, wenn sie Englisch zu sprechen hätte, antwortete gallig in der Fremdsprache: »Vielleicht weil Erland ein erwachsener Mann war?«
    »Wir waren alle mit Lageraufbau und -umbau beschäftigt«, sprang Hartmut ein. »Ingrid hat an der Toilette gegraben, der Rest von uns hat Zelte aufgebaut. Zumindest Tobias und ich, vom Rest weiß ich das nicht so genau. Tim sagt, er habe sich um die Hunde gekümmert.«
    »Er hat ihnen die Suppe bereitet«, warf Tobias ein. »Ich habe gesehen, wie er den Kocher aufgebaut hat. Was war eigentlich mit dir, Kirsten?«
    Sie starrte zurück, ihn wortlos daran erinnernd, dass sie dieses Gespräch bereits geführt hatten.
    »Und Fredrik?«, forschte Tanja weiter. »Womit war der beschäftigt?«
    Niemand antwortete. Vor Tanja und Hartmut standen zwei Gläser Wein auf dem Tisch, die anderen tranken Tee. Die Überbleibsel des Desserts – Früchtekompott in schmalen Gläsern – hatten sie auf dem zweiten kleineren Tisch zusammengestellt, während sie jetzt alle beisammen um den größeren saßen. Kirsten hatte ihren Platz am hinteren Tischende gefunden mit dem Rücken zur Bar, rechts von ihr zog es durch die Außentür herein. Zwischen Bar und Tür hing eine Landkarte; der Ankerplatz der »Noorderlicht« im Tempelfjord war mit roter Farbe markiert. Nach Longyearbyen war es auf dem Papier etwas mehr als eine Handbreit.
    »Fredrik war mit seiner Ausrüstung beschäftigt«, beendete Kirsten schließlich das bedeutungsvolle Schweigen. Sie machte sich nicht die Mühe, die Gereiztheit aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Er war in seinem und Erlands Zelt.«
    »Also war keiner in Erlands Nähe, als der Schuss fiel?«
    »Jeder von uns war allein. Wir haben alle bloß den Knall gehört und dachten, ein Eisbär sei ins Camp eingedrungen.«
    »Tobias und ich waren nicht allein. Wir haben zusammen unser Zelt aufgebaut«, widersprach Hartmut. Tobias stierte auf Hartmuts Weinglas. Nach kurzem Zögern schob Hartmut ihm das Glas zu. Tobias griff danach, leerte es aber nicht, hielt es nur zwischen den Fingern, schwenkte es, bis ein Tropfen hinausspritzte und eine rote Perle auf das Holz des Tisches pflanzte. Der Fleck zog alle Augen auf sich. In der Ecke der Sitzbank, vergessen und zusammengeknüllt, lag Monikas scharlachfarbener Schal.
    »Vielleicht sollten wir heute alle früh ins Bett gehen«, schlug Peter vor, im Tonfall eines Managers, der sein Team nach zu vielen Überstunden nach Hause schickte. »Morgen, wenn die Polizei kommt, wird es anstrengend genug.«
    »Anstrengend?«, quiekte Tanja. »Was meinst du mit anstrengend?«
    »Weil sie uns befragen werden, das ist doch klar.«
    »Wieso sollten sie? Du warst gar nicht dort, als es geschah.«
    »Ich war kurz vorher da. Zusammen mit Oda, erinnerst du dich? Wir haben für das Hundeschlittenteam den Kaffeetisch aufgebaut.«
    »Also ich war die ganze Zeit auf dem Schiff.« Tanjas von einem zum anderen irrlichtender Blick fiel auf Ingrid, und sie wiederholte den Satz auf Englisch. Ingrids eine Augenbraue wanderte in die Höhe, das Piercing in ihrem Nasenflügel blitzte auf.
    »Tanja, wenn die Polizei Fragen an dich hat, wirst du sie beantworten«, mischte sich eine sichtbar erschöpfte Elisabeth ein. »Bitte mach uns morgen keine Szene.«
    »Keine Szene? Was soll das denn jetzt wieder heißen? Ich sage der Polizei, dass ich auf dem Schiff war, dass Tobias und Hartmut bei ihrem Zelt waren, als es geschah, und wieso sollten sie mehr wissen wollen? Wir waren nicht beteiligt!«
    Hartmut hatte noch versucht, Tanja zum Schweigen zu bringen, doch zu spät. Ein weiterer Schwall Rotwein ergoss sich über den Tisch, alle fuhren zurück. Hastig stellte Tobias das Glas ab, Peter warf rasch eine Serviette auf die sich ausbreitende Lache. Ein paar Spritzer hatten jedoch Ingrids Ärmel erwischt. Die Ärztin nutzte die Gelegenheit und erhob sich. Die Reisegruppe war erneut ins Deutsche gewechselt, sie hatte nicht verstanden, was zuletzt gesagt worden war. »Ich gehe in meine Kabine«, verkündete sie, »dann könnt ihr euch in eurer Sprache unterhalten.« Sie stieg die Treppe hinab in den unteren Bereich des Schiffsinneren und verschwand. Kirsten wünschte sich, ebenfalls die Gunst der unverständlichen Sprache für sich in Anspruch nehmen zu können.
    »Was meinst du mit ›ihr wäret nicht beteiligt‹?«, fragte Elisabeth.
    »Zeugen«, kam Hartmut

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