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Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)

Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)

Titel: Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auerbach , Keller
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anzutreten. »Herr X hat mir erzählt, dass Ihr Sohn bei der Geburt in Christabels Kreißsaal gestorben ist, und ich frage mich …«
    Er unterbrach sie, indem er sich zu ihr an den Tisch setzte und sie offen ansah. »Nicht bei der Geburt. Sechs Tage später, und dafür kann niemand Christabel verantwortlich machen. Außerdem passierte es an ihrem freien Tag. Meine Frau und ich wollten Peter gerade nach Hause holen, aber …«, er stockte kurz, »da war er schon nicht mehr da.«
    Er kann nicht aussprechen, dass sein Kind tot ist, dachte Pippa betroffen, das kann ich verstehen.
    Heinrichs Stimme war brüchig, als er fortfuhr: »Christabel wurde dafür gerügt, dass sie ihn nicht in den Brutkasten gelegt hatte. Aber das hätte auch keine der anderen Hebammen getan. Peter war so ein gesundes kleines Kerlchen. Mit Komplikationen war nicht zu rechnen. Auch Frau Doktor Lüttmann hatte keine weiteren Maßnahmen angeordnet.«
    »Eva Lüttmann war die Ärztin, die mit Christabel zusammenarbeitete?«
    Heinrich nickte. »Und Waltraut Heslich war die Oberschwester der Station. Sie war noch sehr jung und hatte die Stelle erst ein paar Monate zuvor durch Eva Lüttmanns Empfehlung bekommen. Natürlich war Frau Heslich deshalb erpicht darauf, sich des Vertrauens ihrer Förderin würdig zu erweisen und … ihre Aufgaben in deren Sinne zu erledigen.«
    So vorsichtig er es auch formulierte – Pippa registrierte, dass es eher nach Anklage als nach Kompliment klang. Offenbar sah er das Fehlverhalten bei der ehemaligen Oberschwester.
    »Aber Christabel wurde dafür verantwortlich gemacht, oder nicht?«, sagte Pippa.
    »Ihr wurde die Schuld gegeben – aber nicht von mir. Alle Welt glaubte, sie sei langsam zu alt und würde deshalb lebensbedrohliche Situationen falsch einschätzen oder schlicht übersehen. Auch meine Frau dachte so. Sie fand heraus, dass unter Christabels Obhut bereits drei andere Kinder gestorben waren, und verlangte ihre Absetzung.«
    Pippa hielt den Atem an. Der alte Mann war so versunken in seiner Vergangenheit, dass sie ihn nicht zu unterbrechen wagte.
    »Das war nur eines der Themen, über die wir beide immer wieder stritten«, erzählte er traurig weiter. »Sie verstand auch nicht, warum ich unseren Ausreiseantrag zurückziehen wollte.«
    Überrascht vergaß Pippa ihre Zurückhaltung und fragte: »Sie hatten einen Ausreiseantrag gestellt?«
    »Was blieb uns mit unseren Vorstellungen vom Leben anderes übrig? Wir galten damals schon als aufmüpfig – und bei manchen öffentlichen Stellen hat sich daran bis heute nichts geändert.« Heinrich zuckte resigniert mit den Achseln. »Wir hatten so sehr gehofft, dass wir ausreisen dürften, bevor unser Kind geboren wird.«
    Einen Moment lang schwiegen sie, dann stand Heinrich abrupt auf und ging zum Kanonenofen, auf dem eine Teekanne stand.
    »Ich habe hier einen wunderbaren Schietwettertee gegen Erkältung. Damit sind Sie gegen Wind und Wetter gefeit.«
    »Ich nehme ihn mit Zucker. Und dem Rest der Geschichte, wenn Sie ihn mir erzählen mögen.«
    »Bei mir gibt es keinen Zucker. Nur Apfeldicksaft«, entgegnete der alte Mann und lachte leise. Dann wurde er wieder ernst. »Meine Frau ist ein Jahr später wirklich in den Westen gegangen, aber ich wollte nicht mehr weg. Ich wollte in der Nähe meines Sohnes bleiben.«
    Er reichte ihr einen Becher mit dampfendem Tee, und Pippa war froh über einen Moment der Ablenkung.
    »Damals habe ich mich häufig mit Christabel getroffen«, fuhr Heinrich fort. »Diese Zeit war für sie keineswegs leichter als für mich. Die Leute haben mit dem Finger auf sie gezeigt und sie beschimpft. Das ist die, bei der die Kinder sterben. Besser, unsere Kinder kommen zur Welt, wenn sie nicht in der Nähe ist. Die Frauen zogen es vor, zu Hause zu gebären. Oder in Salzwedel.«
    Während Pippa vorsichtig an dem heißen Getränk nippte, erinnerte sie sich an einen entsprechenden Eintrag Hermanns in der Chronik: Er sei froh, dass seine Tochter zu Hause und nicht im Krankenhaus in Storchhenningen zur Welt gekommen sei, hatte er geschrieben. Der schlechte Ruf des Kreißsaales hatte sich also gehalten, selbst als Christabel schon lange nicht mehr dort arbeitete.
    »Frau Gerstenknecht hat einiges aushalten müssen«, sagte sie.
    Heinrich trank von seinem Tee und stellte die Tasse ab. »Ich dachte, wenn alle Welt sieht, dass wir befreundet sind, lassen sie Christabel in Ruhe, aber das war nicht der Fall. Das alte Lied: Sündenböcke werden gebraucht, um

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