Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
die Stahltür per Knopfdruck hinter sich ins Schloss fallen und bugsierte Pippa vor sich her ins Schlafzimmer. »Ihre reizende Großmutter hat angerufen, und wir haben uns prächtig unterhalten. Endlich konnte ich mein eingerostetes Englisch wieder etwas aufpolieren. Ich soll Sie herzlich grüßen, sie freut sich auf einen Rückruf. Überdies hat schon zweimal eine junge Frau versucht, Sie zu erreichen. Leider konnte ich nie ihren Namen verstehen, denn die Verbindung brach ständig ab. Als hätte sie kein richtiges Netz. Haben Sie eine Idee, wer das gewesen sein könnte?«
Pippa dachte nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Keine Ahnung.«
Christabel musterte sie forschend. »Sie haben doch nicht etwa Unfug gemacht und gegen meinen ausdrücklichen Wunsch bei Melitta und Severin angerufen?«
Guten Gewissens schüttelte Pippa wieder den Kopf – schließlich stand der Anruf bei Severin wegen der Zeitverschiebung noch bevor, und Melitta Wiek war Florians Sache.
»Ich muss trotzdem mit Ihnen schimpfen, Christabel. Wie konnten Sie Brusche einfach so gehen lassen?«
Die Beantwortung dieser Frage überging Christabel elegant, indem sie sagte: »Ich muss mit Ihnen schimpfen. Sie haben mir schließlich den Drohbrief verschwiegen.« Sorgfältig zog sie ihre Handschuhe bis zum Ellbogen glatt. »Wir hätten das Problem schon viel früher klären können, wenn Sie ehrlich gewesen wären. Nun gut, das ist Schnee von gestern.« Sie sah Pippa triumphierend an. »Ich weiß jetzt, wer Ihnen den Brief geschickt hat.«
»Wie bitte? Woher wissen Sie denn das?«
»Von Sebastian Brusche natürlich. Ich sagte doch, er ist gut – der beste Journalist, den wir hier haben«, sagte die alte Dame in einem Ton, als hätte sie ihn schon immer für ein leuchtendes Beispiel seiner Zunft gehalten.
»Brusche?«, echote Pippa verständnislos.
»Ich habe ihn vorhin losgeschickt, Erkundigungen einzuziehen. Das Ergebnis hat er mir eben per Telefon durchgegeben.«
Genüsslich machte sie eine Pause.
Sofort vergaß Pippa ihren Ärger darüber, dass sie Christabel allein vorgefunden hatte. »Und?«, rief sie ungeduldig. »Sagen Sie schon: Wer war es?«
»Sie werden es nicht fassen: Thaddäus Biberberg.« Christabel konnte ihr Vergnügen nicht verhehlen und begann, gackernd zu lachen.
»Bestimmt von seinem Bruder angestiftet«, sagte Pippa und lachte erleichtert mit. Sie spürte plötzlich, dass der Drohbrief sie mehr belastet hatte, als ihr bewusst gewesen war. »Erstaunlich kreativ für die Biberbergs.«
»Das hat Daria Dornbier sich ausgedacht, da halte ich jede Wette. Das riecht ganz nach ihr.« Christabel winkte ab. »Ich habe natürlich sofort Nägel mit Köpfen gemacht und sowohl Thaddäus als auch Zacharias angerufen. Die machen Ihnen keinen Ärger mehr, das verspreche ich Ihnen.«
Pippa sah die alte Dame misstrauisch an. »Was haben Sie den beiden erzählt?«
»Als ich ihnen anschaulich erklärte, wozu Sie als meine Sicherheitsbeauftragte fähig sind, wenn ich Sie erst einmal von der Leine lasse, winselten sie um Gnade und schworen, Sie in Ruhe zu lassen.«
»Aber warum das Ganze? Warum haben sie mir gedroht?«
Christabel zuckte mit den Schultern. »Warum tun einflussreiche, machthungrige Menschen etwas? Weil sie es können – und deshalb glauben, dass sie es auch dürfen. In jedem Fall ist das Thema Drohbrief jetzt erledigt.«
»Wollen Sie wirklich eine Stiftung gründen? Oder haben Sie das nach dem Konzert nur gesagt, um den Bürgermeistern einen Schreck einzujagen?«
»Selbstverständlich werde ich das tun. Auch wenn ich zwei Minuten, bevor ich es aussprach, noch nichts davon ahnte.« Christabel lächelte breit. »Jetzt entschuldigen Sie mich, meine Liebe, ich möchte mich ein wenig hinlegen. Und Sie pflegen bitte Ihre Familienkontakte.«
Pippa ging zum Fenster und schloss die Vorhänge, dann zog sie leise die Zimmertür hinter sich zu.
Im Wohnzimmer setzte Pippa sich aufs Sofa und rief bei ihrer Großmutter an. Da die Leitung belegt war, wollte sie es nach einigen Minuten über die Wiederwahl noch einmal versuchen und drückte versehentlich den falschen Knopf: Im Display erschien eine Berliner Nummer.
»Die muss Christabel zuletzt angerufen haben«, murmelte sie nach einem flüchtigen Blick darauf, »mit Sicherheit Professor Piep. Ich könnte ihn gleich mal fragen, wann er endlich nach Storchwinkel kommt.«
Sie aktivierte die Nummer, und nach nur zweimaligem Klingeln meldete sich eine Frauenstimme mit: »Königliche
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