Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
dass Frau Bolle Hilfe braucht?«, fragte Hartung und runzelte die Stirn. »Ich kann nicht glauben, dass man von Ihrem Dachgeschoss bis zum Vogelschutzgebiet sehen kann.«
»Kommen Sie herein, ich muss Ihnen etwas zeigen.« Christabel seufzte. »Ich hatte es bereits geahnt: Dies ist der Anfang vom Ende.«
Kapitel 31
W enn ich bitten darf, meine Herrschaften. Folgen Sie mir!« Christabel machte eine einladende Handbewegung zur Treppe hin.
Kommissar Hartung sah Pippa fragend an, aber die zuckte nur mit den Schultern. Sie folgten Christabel, die an Heinrichs Arm zum Treppenlift ging und sich auf den Klappsitz setzte. Surrend glitt der Lift an der Schiene nach oben.
»Dass ich Ihnen, Pippa, und dem bedauernswerten Herrn Seeger helfen konnte, ist es wert, denke ich«, überlegte Christabel auf dem Weg nach oben. »Mir blieb einfach nichts anderes übrig, als die Bilder live auf den Monitor in der Ade-Bar zu schicken. Sie haben wirklich vorbildlich reagiert, Kommissar Hartung. Meine einzige Hoffnung war, dass bei Hilda gerade jemand ist, der einen wachen, schnellen Geist hat. Und den haben Sie, junger Mann.«
Amüsiert und gerührt zugleich sah Pippa, dass der sonst so schneidige junge Ermittler bei Christabels Kompliment tatsächlich errötete – auch wenn er offensichtlich genauso wenig wie sie verstand, wovon Christabel wirklich sprach.
Zu Pippas Erstaunen führte Christabel alle vor die schwere Stahltür zu ihrem Allerheiligsten. Die alte Dame tippte eine Zahlenkombination in das kleine Tastenfeld am Rahmen, und die Tür schwang automatisch nach innen auf. Zu Kommissar Hartung bemerkte Christabel: »Ich hätte gerne eine dieser wunderbaren neuen Sicherheitsanlagen mit Kamera und Netzhauterkennung, aber ich fürchte, die Ausgabe lohnt sich in meinem Alter tatsächlich nicht mehr.« Sie lachte in sich hinein und ließ dann ihrem Besuch den Vortritt in ihr Reich.
Sie kamen in einen halbdunklen Raum, dessen einzige Lichtquellen ein kleines Fenster zum Garten und mindestens zwanzig flimmernde Monitore waren. Diese gruppierten sich in der Mitte des Zimmers im Halbrund um ein Schaltpult, vor dem ein bequemer Schreibtischsessel auf Rollen stand.
Ungläubig starrte Pippa auf die Monitore. Sie erkannte das Werksgelände, den Dorfplatz, Heinrichs Mühle, diverse Bereiche des Umlandes bis nach Storchhenningen und Storchentramm, das Naturschutzgebiet …
»Das sieht ja aus wie die Schaltzentrale des Flughafens Frankfurt«, sagte Hartung verblüfft.
»Londoner U-Bahn – baugleich mit der Olympiaversion«, erklärte Christabel. »Eine wirklich vertrauenswürdige Sicherheitsfirma hat mir alles besorgt und nach meinen Wünschen installiert. Einige der Herrschaften hatten einschlägige Erfahrungen aus früheren Zeiten. Echte Experten.«
Pippa hörte nur mit einem Ohr zu, denn sie wurde abgelenkt durch eine Live-Übertragung vom Bücherbus: Gerade verließen Martha Subroweit und Anett Wisswedel die mobile Bücherei. Das Bild war so klar, dass Pippa mit ein bisschen Mühe sogar die Titel der ausgeliehenen Bücher hätte entziffern können. Sie hätte alles darauf gewettet, dass die Anlage zu diesen und ähnlichen Zwecken über eine Zoom-Funktion verfügte.
»Andere haben ihre Leichen im Keller – Sie haben sie unter dem Dach gestapelt«, sagte Pippa fassungslos. »Big Sister is watching you.«
»Die Idee kam mir tatsächlich durch die einschlägig bekannte Fernsehsendung. Jetzt verstehe ich, was Leute daran fasziniert«, entgegnete Christabel. »Wenn man wie ich in seinem Bewegungsradius eingeschränkt ist und nicht nur auf Berichte aus zweiter Hand vertrauen will, ist so etwas die perfekte Lösung. Seit Jahren warte ich vor diesen Monitoren auf Antworten. Es gibt noch immer zu viele ungeklärte Fragen.«
Pippa schüttelte den Kopf, konnte die Augen aber dennoch nicht von den Bildschirmen lösen. »Jetzt wird mir einiges klar: So haben Sie also nicht nur von Melittas und Severins Heiratsplänen erfahren, sondern auch beobachtet, wie Thaddäus Biberberg den Drohbrief an die Terrassentür gehängt hat.«
»Ich dachte, die Kameras laufen alle bei Professor Meissner zusammen«, sagte Hartung. »Das habe ich doch selbst gesehen!«
»Nur die Kameras in den Storchennestern«, erklärte Christabel. »Es gibt aber noch viel mehr, und die nutze ich privat. Allerdings kann ich von hier aus sämtliche Einstellungen tätigen – auch die für die Storchenzentrale in Gregors Haus, die mit dem Monitor in der Ade-Bar verbunden ist.
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