Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
gefallen?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen«, erwiderte Hilda Krause, »seit gestern ist mir der Appetit auf Kriminalromane vergangen. Ich bringe sie zurück und leihe mir stattdessen heile Welt aus.«
Der Zahnlose gackerte. »Liebesromane, ej? Stell dich doch einfach vor Haus Nummer 2! Da gibt es Liebe pur.«
Hilda Krause musterte den Alten empört. »Lasst endlich Mandy in Ruhe. Aus euch alten Knackern spricht der reine Neid. Ihr würdet ihr doch die Bude einrennen, wenn sie euch wollte!«
»Erst neulich hat der alte Heinrich gesagt, dass aus Mandy noch mal etwas ganz Großes wird«, warf Anett Wisswedel ein.
»Etwas ganz Großes?« Der Mann, den Erich mit Hermann angesprochen hatte, schnaubte spöttisch. »Nur über die Leiche von der Palle.«
Erich dagegen war beeindruckt. »Das hat Heinrich wirklich prophezeit? Dann wird das auch so sein. Seinem Schicksal kann man nicht entgehen, sagt er immer.«
Alle wandten sich um, als eine Haustür lautstark zuklappte. Timo Albrecht kam den Vorgartenweg von Haus Nummer 2 herunter und schlenderte ohne sonderliche Eile auf den Bücherbus zu.
»Respekt, Timo«, sagte der Zahnlose, »neunundvierzig Minuten! Handgestoppt! Persönliche Bestleistung, würde ich schätzen.«
Timo Albrecht zwinkerte ihm fröhlich zu und öffnete die Bustür, ohne sein verspätetes Auftauchen auch nur mit einer Silbe zu kommentieren. Er stieg ein und ließ sich in den Fahrersitz fallen, dann winkte er die Wartenden zu sich herein.
Weil man ihr den Vortritt ließ, betrat Pippa den Bus als Erste.
»Guten Tag. Sie wollen das Buch für Christabel Gerstenknecht abholen, nicht wahr?«
Der junge Mann strahlte sie an, und Pippa verstand sofort, warum er bei Mandy Klöppel einen Stein im Brett hatte. Timo Albrecht griff in ein Fach hinter sich und reichte ihr ein Buch mit festem Einband.
Pippa schnappte nach Luft, als sie sah, worum es sich handelte. » Lady Chatterleys Liebhaber ? Sind Sie sicher?«
Sie blickte auf und fand sich umringt von den Storchwinkelern, die zusammen mit ihr auf den Bibliothekar gewartet hatten. Alle reckten neugierig die Hälse, um zu sehen, wie sie darauf reagierte, dass sie für die alte Dame einen Klassiker der erotischen Weltliteratur abholen sollte.
»Sind Sie sicher?«, wiederholte Pippa perplex, und alle um sie herum nickten. In Storchwinkel waren Christabel Gerstenknechts literarische Vorlieben offenbar kein Geheimnis.
»Frau Gerstenknecht hat einen exquisiten Geschmack«, erklärte Timo Albrecht, »nicht nur das Decamerone von Boccaccio, Balzacs Tolldreiste Geschichten und die Kurtisanengespräche des Aretino hat sie schon durch, sondern selbstverständlich auch Casanovas Erinnerungen – um nur einiges zu nennen.«
»Warum auch nicht?«, fragte Hilda Krause. »Viele junge Leute glauben, die Sexualität gehört ihnen allein. Aber wenn sie älter werden, ändern sie ihre Meinung. Nur weil der Körper sich verändert, hört man ja nicht auf zu … denken.«
Sie musterte Timo Albrecht, als wäre er ein besonders leckerer Kuchen, und blinzelte dann Pippa schelmisch zu. Diese errötete, denn Hilda Krause hatte offensichtlich auch ihren wohlgefälligen Blick auf den attraktiven jungen Mann bemerkt. Verlegen verschwand Pippa im Inneren des Busses. Sie suchte in den Regalen nach Literatur über die Altmark und entschied sich für einen Bildband über den Naturpark Drömling sowie eine Chronik Storchwinkels aus den Wendejahren.
»Wo hast du denn die Kunstbücher, Timo?«, hörte sie Hilda Krause fragen. »Josef kommt heute Abend und bleibt bei mir, bis … bis alles aufgeklärt ist. Irgendetwas über Skulpturen oder Kunst am Bau wäre für ihn genau das Richtige.«
»Immer auf der Suche nach Inspiration, verstehe.« Timo Albrecht deutete auf ein Regal. »Dort drüben lauern die schönen Künste, Hilda!«
Mehr und mehr Menschen drängten in den Bus, unter ihnen auch Florian Wiek.
»Ich bin beeindruckt, wie viele Leute in Storchwinkel lesen«, sagte Pippa zu Timo Albrecht, der seinen Platz verlassen hatte, um ihr die ausgewählten Bücher abzunehmen und sie zu registrieren.
»Bücher leihen und Bücher lesen – das sind zwei verschiedene Paar Schuhe«, entgegnete Timo Albrecht trocken. »Sagen wir so: Für meine Kunden macht sich jedes geliehene Buch bezahlt.«
Er lachte über ihr erstauntes Gesicht: »Christabel Gerstenknecht hat den Bücherbus ins Leben gerufen und ist sein größter Förderer. Für Mitarbeiter von 3L – also Lüttmanns Lütte Lüd
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