Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
wenn der nicht das Leid der ganzen Welt auf seinen schmalen Schultern trägt! Und dieser Heinrich wird mir langsam echt unheimlich.
Sie nickte Timo Albrecht zum Abschied zu und schlängelte sich an Leneke vorbei aus dem Bus.
Der Teich in der Mitte des Dorfplatzes lag verlassen da, als Pippa vorbeiging. Mit den beiden Kletterern waren auch die Planken hinüber zum Storchenmast verschwunden.
So können die Störche ganz ungestört brüten, dachte sie, sie hocken hier zwar auf dem Präsentierteller, sind aber sicher wie in einer Wasserburg mit Burggraben bei geschlossener Zugbrücke.
Sie blieb stehen und drehte sich um, als jemand hinter ihr ihren Namen rief.
Der mürrische Mann aus dem Bus, Julius Leneke, eilte ihr nach und sagte vorwurfsvoll: »Ich habe gerade erfahren, wer Sie sind. Sie haben sich mir nicht vorgestellt.«
»Hätte ich das denn tun sollen?«, fragte Pippa erstaunt.
Der Mann nickte ernst. »Selbstverständlich. Ich muss genau wissen, wen Christabel um sich hat. Ich bin sehr besorgt um ihre Sicherheit. Schließlich bin ich ihr Sohn und Erbe.«
Kapitel 10
V or dem Eingang des Gutshauses standen zwei Männer, rauchten und unterhielten sich – neben einer Sänfte.
Das kann nur eine Halluzination sein, dachte Pippa und vergaß darüber die Neuigkeit, dass Christabel einen Sohn hatte.
»Guten Morgen. Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Pippa und bestaunte das hölzerne Etwas, das genau einer Person Platz bot.
»Vitus Lohmeyer«, stellte sich einer der Männer mit einer kleinen Verbeugung vor. »Gartenzwergkonstrukteur. Wir warten auf die Chefin.«
Pippa erinnerte sich, Lohmeyer auf der Beerdigung gesehen zu haben. Allerdings hatte er dort, aus gegebenem Anlass, einen schwarzen Anzug getragen, der seine kräftige Statur mehr als nötig betonte und aussah, als hätte er ihn von jemandem geliehen. Jetzt war er, wie der Mann neben ihm, dunkelblau gekleidet: sportliche Hose und Polohemd mit einem winzigen eingestickten Gartenzwerg auf der linken Brustseite.
»Pippa Bolle«, sagte Pippa und verkniff sich die Frage nach der Sänfte, »ich sehe mal nach Frau Gerstenknecht.«
Vitus Lohmeyer nickte dankend, und Pippa eilte ins Haus.
Bereits in der Eingangshalle hörte sie, dass im Wohnzimmer gesprochen wurde. Eine männliche Stimme, vor Anspannung schrill, rief: »Wir müssen endlich den internationalen Markt ausbauen, ihn gänzlich erobern! Wir können und dürfen nicht mehr alles dem Zufall überlassen!«
»Tun wir das denn Ihrer Meinung nach, Herr Bartels?«, fragte Christabel Gerstenknecht gefährlich leise.
»Nun, ich finde, unsere Strategie muss in dieser Hinsicht gründlich überdacht werden«, ereiferte sich der Mann.
»Inwiefern?« Christabels Stimme klang ruhig, dennoch schien es Pippa eher die Ruhe vor dem Sturm zu sein.
Sie näherte sich zögernd der Wohnzimmertür. Durfte sie einfach hineinplatzen, oder ging es bei dem Gespräch um Interna? Unsicher blieb sie vor der halboffenen Tür stehen.
»Ich stelle mir ein Angebot vor, das auch der … nun ja …«, Bartels räusperte sich, »der Optik unserer Kunden in Übersee Rechnung trägt.«
»Sie denken an Schlitzaugen? Gartenzwerge in Uniformen der chinesischen Terrakotta-Armee?«, fragte Christabel Gerstenknecht.
»Ganz genau!« Bartels’ Stimme überschlug sich vor Eifer. »Ninjas für den japanischen Markt, Zulukrieger für Südafrika …«
»Nicht zu vergessen: Machos mit Schlafzimmerblick und Dreitagebart für Südamerika«, warf Christabel Gerstenknecht ironisch ein und brachte damit ihren Gesprächspartner zum Verstummen.
Pippa unterdrückte ein Kichern. Die alte Lady war wirklich schlagfertig!
»Eines müssen Sie mir erklären, Herr Bartels«, fuhr Christabel Gerstenknecht fort, »warum höre ich mir das alles hier und jetzt an – und nicht nachher bei unserer Besprechung in der Fabrik?«
»Ich wollte ganz in Ruhe … unter vier Augen …«, stammelte Bartels, »nur Sie und ich …«
»Ich verstehe«, unterbrach die alte Dame kühl, »Sie wollten sich einen Vorteil verschaffen.«
»Nein, nein!« Die Panik in Bartels’ Stimme war unüberhörbar. »Ich war mir nicht sicher, ob wir nach den Ereignissen der letzten Tage wirklich ein Teamgespräch haben werden … und wo doch heute der letzte Arbeitstag vor Ostern ist und die nächste Kollektion bald vorgestellt werden soll!«
»Und weil Sie dachten, ich komme heute nicht in die Fabrik, sind Sie inklusive Sänfte und Träger hier aufmarschiert«, konterte Christabel
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