Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
zu. »Scheinheilige Kommentare, die meisten waren froh, dass sie selber wieder im Spiel waren.« Florian sah liebevoll auf seine Trompete hinunter. »Ich habe mich erst wieder beruhigt, als Christabel mich zu sich rufen ließ, um zu erfahren, was passiert war. Ich habe ihr mein Leid geklagt und sie gefragt, ob man Störche auch auf dem Nest festbinden dürfte, um sein Ziel zu erreichen. Oder ob auch gilt, wenn der Storch nur ein kleines bisschen gelandet ist, wo es doch für einen guten Zweck wäre.«
»Für einen guten Zweck?«
»Na – meine Musikstunden!«, sagte Florian mit der gleichen Überzeugung, wie er es als kleiner Junge wahrscheinlich auch getan hatte.
»Und davon war sie so gerührt, dass sie zugestimmt hat, Ihre Stunden zu bezahlen.«
»Das wäre so überhaupt nicht Christabel. Nein, sie stellte eine Bedingung: Sie würde meinen Unterricht finanzieren, wenn ich bereit wäre, eines ihrer Lieblingsinstrumente zu lernen.«
»Und die sind?«
»Harfe und Querflöte.« Florian verdrehte die Augen. »Ich bitte Sie! Ich habe natürlich abgelehnt.«
»Erstaunlich willensstark für ein Kind – Hut ab. Aber wieso zahlte sie dann doch?«
»Wegen meines Arguments gegen diese Instrumente.«
Er grinste über Pippas erstauntes Gesicht und fuhr fort: »Kommt nicht in Frage, habe ich gesagt, die sind mir nicht laut genug. Ich will gehört werden!«
»Das war eine Antwort nach ihrem Geschmack.«
»Absolut. Aber sie hat trotzdem eine Bedingung gestellt: Sie wollte, dass sie und die ganze Manufaktur von den Musikstunden profitieren.«
Er sah sie abwartend an, und Pippa ging ein Licht auf.
»Der Appell!«
»Richtig.« Florian nickte. »Sie setzt jede Unterrichtsstunde von der Steuer ab. Als betriebliche Sonderausgabe.«
Und entbindet den jungen Mann durch dieses Arrangement gleichzeitig von der Last lebenslanger Dankbarkeit, dachte Pippa. Sehr clever. »Mir ist aufgefallen, dass Sie Christabel als Einziger von den Jüngeren des Ortes duzen«, sagte Pippa. »Stammt das auch aus der Zeit Ihrer kleinen geschäftlichen Vereinbarung?«
»Nein, ich kenne sie, seit ich denken kann. Ich habe sie immer schon geduzt, schon als kleines Kind – und sie mich sowieso. Später hat sie es nie korrigiert, also denke ich, sie hat noch immer nichts dagegen.«
»Ich übrigens auch nicht.« Spontan reichte Pippa ihm die Hand. »Wir werden in nächster Zeit viel miteinander zu tun haben. Also sollten wir uns auch duzen.«
Erfreut schlug Florian ein, dann sagte er: »Ich will nicht unhöflich sein, aber ich muss noch üben. Ich bin Mitglied im Blasorchester des Storchendreiecks, und wir geben am Ostersonntag ein Konzert in der Salzwedeler Mönchskirche. Hätten Sie … hättest du Lust zu kommen? Ich spiele sogar ein Solo.«
»Liebend gern, aber dann müsste ich Christabel allein lassen. Das möchte ich nicht.«
»Julius könnte euch fahren«, schlug Florian eifrig vor, »dann könntet ihr alle drei kommen.«
»Julius macht sich gerade rar«, sagte Pippa und seufzte. »Ich war vorhin bei ihm, weil ich morgen ein Rezept für ihn einlösen soll. Aber niemand hat auf mein Klopfen reagiert.«
Florian winkte ab. »Das liegt sicher daran, dass die Palle im Garten der Heslich war und nach ihm gerufen hat. Hab ich selbst gehört. Da wird er sich in seinem Mauseloch verbarrikadiert haben. Wenn die was von ihm will, macht er sich unsichtbar.«
Auf Pippas ungläubigen Blick hin fügte er hinzu: »Er hasst sie wie die Pest. Der Ärmste hat schon sein ganzes Leben lang mit dieser schrecklichen Frau zu tun. Es reicht, wenn ihr Name fällt, und schon kriegt er Ekelausschlag.«
»So extrem?«
»Noch schlimmer. Kann man aber auch verstehen: Julius war ein Waisenkind, und sie ist vom Jugendamt. Sie hat ihn schon seit frühester Jugend unter ihrer Fuchtel. Die hat ihn von einem Heim ins andere verfrachtet. Eine Weile war er sogar bei den Lüttmanns, aber die haben sich dann für Severin entschieden.«
Pippa fiel buchstäblich die Kinnlade herunter. »Wie darf ich das denn verstehen?«
»Wie es sich anhört. Eva Lüttmann wollte einen Sohn, und da haben sie zunächst Julius aus dem Heim in Pflege geholt. Aber das ging nicht gut, Julius war oft krank und hat viel geweint. Jedenfalls war er nicht, was sich Frau Doktor unter einem Vorzeigekind vorgestellt hat. Und dann haben sie ihn einfach wieder zurückgegeben und ein anderes Kind adoptiert.«
»Severin Lüttmann?«, fragte Pippa entsetzt.
Florian nickte ernst. »Severin war erst ein
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