Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
paar Wochen alt, da musste Julius ins Krankenhaus. Wegen einer Blinddarmentzündung. Von dort aus ging es direkt wieder ins Heim. Einfach so. Ohne Erklärung. Nur Severin senior hat ihn noch besucht.«
Und ich finde es schon widerlich, wenn man einen Hund aus dem Tierheim wieder zurückbringt, weil man einen niedlicheren gefunden hat, dachte Pippa erschüttert. Kein Wunder, dass Julius einen Knacks hat.
»Dass Christabel ihn adoptiert hat, war dann so etwas wie ihre Wiedergutmachung«, sagte sie langsam.
»Das denkt meine Mutter auch. So ist er wenigstens finanziell abgesichert.«
»Und Severin? Macht ihm das etwas aus? Immerhin arbeitet Julius in seiner Firma und ist praktisch unkündbar, wenn ich das richtig verstehe.«
»Severin und Julius?«, fragte Florian ehrlich verblüfft. »Die beiden kommen großartig miteinander aus. Julius ist das beste Aushängeschild für Severins Pläne, seelisch angeknackste Menschen mit Hilfe der Hunde wieder auf die Beine zu bringen. Er probiert an Julius seine Therapien aus, und der Erfolg bestätigt ihn auf ganzer Linie. Dass Julius wieder Auto fährt, verdankt er nur dieser gemeinsamen Arbeit, auch wenn er nach wie vor einen Beifahrer braucht, weil er sich noch nicht allein auf die Piste traut.«
»Woran leidet er? Depressionen?«
»Julius? Der ist nicht verkehrt«, antwortete Florian ausweichend, »er ist nur einfach überfordert vom … normalen Leben.«
Kein Wunder – Normalität ist in Storchwinkel ja offensichtlich ein Fremdwort, dachte Pippa.
»Werden sich Julius und Severin die Leitung der Manufaktur später teilen? Christabel ist nicht mehr … äh … die Jüngste.«
»Weder Julius noch Severin sind interessiert. Der eine kann es nicht, der andere will es nicht. Severin träumt von einer eigenen Einrichtung zur Hundetherapie. So wie die Therapien mit Pferden oder Delphinen. Nur will Severin sich auf Patienten mit Erschöpfungszuständen spezialisieren.«
»Wer kommt denn dann in Frage?«
Vor ihrem geistigen Auge sah Pippa bereits die feindliche Übernahme von 3L durch einen riesigen anonymen Hersteller stereotyper Billiggartenzwerge aus Plastik.
»Soweit ich weiß, hat Christabel schon vor Jahren den Betriebsleiter als ihren Nachfolger eingesetzt, falls keiner der Söhne ihres Mannes Interesse zeigt.«
»Also Maximilian Hollweg.«
»Leider! Gnade uns Gott, wenn der mal nicht mehr von Christabel im Zaum gehalten wird. Wenn Hollweg das Regiment übernimmt, dann gute Nacht, Marie, das wird kein Spaß.« Beim Gedanken daran stöhnte Florian auf. »Hollweg hält alle Vergünstigungen für Mitarbeiter und Heimarbeiter für überflüssige Geldausgaben.«
»Kein netter Mensch?«
»Geht so …« Florian hielt inne, als wäre ihm aufgegangen, dass er zu viel erzählt hatte. »Ich werde dann mal besser weiter üben – und Julius übernehme ich. Das Rezept kann ich zusammen mit ihm einlösen, dann bitte ich ihn gleich, mit euch zum Konzert zu kommen. Auf diese Weise haben wir wenigstens vier Zuhörer. Aus dem Storchendreieck wird sicher niemand dort auftauchen: Die gucken lieber in den Himmel und warten auf die Störche.«
»Christabel, Julius und ich – das sind drei. Wer ist Nummer vier?«
»Vitus Lohmeyer, er fährt mich hin. Das hat er meiner Mutter versprochen.« Florian grinste spitzbübisch. »Er würde alles tun, um sich bei ihr einzuschmeicheln. Oder bei mir. Jeder hier weiß: Der Weg zu Melitta Wiek führt direkt über mich.«
Kapitel 14
D ie schwermütige Melodie aus Florians Trompete begleitete Pippa, während sie ihren Spaziergang durch das Birkenwäldchen fortsetzte.
Melitta Wiek und Vitus Lohmeyer wären ein schönes Paar, dachte sie, beide sind zuvorkommend und freundlich, und beide sind Christabel in besonderer Weise zugetan. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die pflichtbewusste Melitta heiraten würde, solange die alte Dame noch lebt. Florians Mutter hatte ja schon Bedenken, für zwei Wochen Urlaub das Haus zu verlassen.
Durch ihre Überlegungen fiel ihr auf, wie wenig sie von Melitta wusste. Nicht einmal, ob diese je verheiratet gewesen war und wo Florians Vater lebte.
Der Wald ging in eine Weide über, und schließlich stieß der Weg wieder auf die Pappelallee, die in Richtung Storchhenningen führte. Auf der Brücke blieb Pippa stehen. Sie lehnte sich an das schmiedeeiserne Geländer und ließ den Blick über die weite Landschaft schweifen. Der Bach floss ruhig zwischen winterlichen Kuhweiden hindurch, führte aber wegen der
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