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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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eines Tages nicht wegen dem ab, was ich getan habe, sondern allein wegen deiner Komplexe. Du denkst, wenn du dich nicht auf die eine oder andere Weise voll auf mich einläßt, solltest du mich gehen lassen. Du glaubst, ich wollte eine feste Beziehung. Du fällst ein Urteil über mich. Ich suche keine feste Beziehung. Ich will dich nur besser kennenlernen.»
    «Ja, so was hab ich schon mal gehört», sagte Sam. «Offene Beziehungen funktionieren nicht. Wenigstens nicht für mich.»
    «Es ist keine offene Beziehung, Sam. Es sind nur wir beide, du und ich. Wir sehen uns manchmal, weil wir es so wollen. Die Alternative lautet, daß wir uns nie wieder sehen, weil du Angst hast.»
    «Das klingt, als wäre es völlig vernünftig, Wanda, aber ein Teil von mir will nicht zuhören, hat das Gefühl, ich würde in die Irre geführt.»
    «Denk drüber nach», sagte sie. «Nicht jetzt, sondern wenn du Zeit dazu hast. Aber du weißt, daß ich dich gern sehen möchte. Wenn du mich auch sehen willst, ruf mich einfach an.»
    «Das wird eine Weile dauern», sagte er. «Im Augenblick stecke ich bis über beide Ohren in Arbeit.»
    «Wenn du soweit bist.»
    «Weißt du, genau das will ich nicht hören», sagte er. « Wenn du soweit bist. Das ist so, als würdest du nur hier rumsitzen und warten. Allzeit bereit. Und jede Minute, die ich nicht anrufe, bin ich ein Scheißkerl.»
    «Nein, Sam. Das ist nur in deinem Kopf. Ich sitze hier nicht rum und warte. Ich habe da oben, hier unten, im ganzen Haus zwei Töchter. Ich habe Verwandte, Freunde, ich gehe in den Singles-Club. Ich sitze überhaupt nicht hier rum und warte, ich lebe mein Leben. Ich will dir damit nur sagen, wenn du magst, kannst du hin und wieder daran teilhaben. Bist du total zufrieden mit deinem Leben?»
    Sam lächelte. «Nur, wenn du mich anpflaumst.»
    «Aber du verstehst, was ich sage?»
    «Ja. Ich versteh dich schon. Wir können Freunde sein.»
    «Wir können alles sein, Sam. Wenn du mich mal anrufst, falls du jemals dazu kommst, und ich mache was anderes, tja, dann werd ich dir sagen, tut mir leid, ich mache gerade was anderes. Ich werde nicht lügen. Ich mache dann etwas anderes. Wenn ich nichts anderes mache, dann mach ich’s mit dir.»
    Sam merkte, daß er seit mehreren Minuten lächelte. «Ich brauchte jemanden, der mir das mal sagte», sagte er. «Ich dachte nur nicht, daß du es sein würdest.»
    «Manchmal können Menschen einen überraschen.»
    «Frauen überraschen mich schon, seit ich auf die Welt gekommen bin.»
    Die beiden Mädchen kamen die Treppe heruntergepoltert und stürmten ins Wohnzimmer, weil sie mehr Kuchen und Saft wollten. Wanda brachte Sam zur Tür und gab ihm einen Kuß auf die Wange. «Celia klingt wie eine nette Frau», sagte sie. «Wir haben lange am Telefon miteinander geplaudert.»
    «Über mich?»
    «Ja, wir haben unsere Notizen verglichen.»
    «Und das Urteil lautet?»
    «Du bist einer der guten Burschen.»
    Er ging durch die Tür und drehte sich zu ihr um. «Du siehst toll aus in Jeans», sagte er.
    Sie lachte, schloß die Tür und kehrte zu ihren Töchtern zurück.
     

Kapitel 32
     
    Zu einer Zeit war Graham ein Dichter und Liebhaber gewesen. Frances stellte ihn sich immer als großen, intelligenten Bären vor. Er war ruhig, konnte gut zuhören, und das war es, was Frances damals brauchte, jemanden, der zuhören konnte.
    Frances’ Ehe und die Geburt ihrer drei Kinder hatten sie zu einer Dienstmagd degradiert. Als sie Graham auf dem Chapeltown Carnival kennenlernte, war schon bald klar, daß sie füreinander bestimmt waren. Das hatte Graham gesagt. «Du und ich, Frances, wir sind füreinander bestimmt.» Im Rückblick konnte Frances sich nicht vorstellen, wie sie ihre Familie hatte verlassen können. Wie sie einfach alles aufgegeben hatte und ihm gefolgt war. Doch genau das hatte sie getan. Während des ersten Jahres beobachtete sie manchmal heimlich, wie die Kinder von der Schule abgeholt wurden. Seitdem hatte sie sie nicht mehr gesehen.
    Bernard, ihr Mann, hatte wieder geheiratet und war fortgezogen. Sie wußte nicht, wohin. Hatte auch nie versucht, es herauszufinden. Langsam hatte Graham ihr gesamtes Leben ausgefüllt. Sie wußte, daß er es tun würde, und er tat es, weil sie füreinander bestimmt waren.
    Er war ein großer Bär, eine Jungfrau. Technisch gesehen war er keine Jungfrau, wegen dieser viehischen Frau, die ihn verführt hatte, als er noch ein kleiner Junge war, aber emotional war er eine Jungfrau. Er verstand nichts von

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