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Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum

Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum

Titel: Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia de Lillo
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jenem schüchternen ›Ja‹ hat er nur noch entschiedene ›Neins‹ von sich gegeben.
    Elasti-Exkurs 10
    Das Leben hätte ein Effektenhandelsunternehmen sein können
     
    Nach dem Studium hatte Elasti-Mama das Gefühl, sie hätte ein Händchen für Börse und Finanzen. Sie sah eine glänzende Zukunft vor sich, zwischen Aktien, Futures, Optionen auf Derivate und Warrants. Nicht, dass sie genau gewusst hätte, was das ist, aber wenn die Berufung lockt, wirft man sich ihr in die Arme, ohne lang Fragen zu stellen.
    Die Arbeitsstelle ihrer Wahl war ein Effektenhandelsunternehmen, und dort landete sie auch.
    Bei dem Effektenhandelsunternehmen kamen sich alle vor wie in dem Film Wall Street: man war schön, begütert, erfolgreich und ein Haifisch.
    Das pulsierende Herz des Effektenhandelsunternehmens heißt Börsensaal, und im Börsensaal ist, wenn man Geld macht, alles erlaubt.
    Es war eine Zeit, in der auch Otto Normalverbraucher an der Börse Gewinn machen konnte, und so war der Börsensaal eine Art Hort der Freiheit, wo selbst Rülpsen und Furzen allgemein akzeptiert und für lustig befunden wurde. Das Fehlen des weiblichen Elements verlieh diesem ohnehin schon verrohten Umfeld einen militärischen und gleichzeitig ordinären Touch. Zum Ausgleich waren Anzug und Krawatte Pflicht - auch für Leute, die elf Stunden am Tag damit zubrachten, auf einen Bildschirm voller Zahlen zu starren, um Geld zu machen, und dabei unappetitliche Geräusche von sich zu geben. Die sympathischen Kollegen aus dem Börsensaal kamen zu dem Schluss, Elasti-Mama als einzige Frau würde Unglück bringen, sofern sie nicht so tat, als wäre sie ebenfalls ein Mann.
    Schon am zweiten Arbeitstag wurde Elasti-Mama in »Giovanni« umgetauft.
    Man teilte Giovanni einen Stuhl und eine Sprechanlage zu. Die Sprechanlage diente dazu, sich von Cosimo dem Verrückten, einem Großkunden einer wichtigen Londoner Geschäftsbank, beleidigen zu lassen. Giovanni war die Sklavin des Verrückten. Giovanni verdiente 250 Euro brutto im Monat, Cosimo 250 Euro in der Minute, Boni nicht mitgerechnet.
    »Ach du heilige Scheiße! Schnell schnell, du Transuse, kauf 20 für 40 000, nun mach schon! Schnell! Erledigt? Leck mich am Arsch.« Klick.
    Sie führte aus, klickte in mehrfacher Lichtgeschwindigkeit auf Maustasten und bewegte in einem Wimpernzucken 20 Futures in einem Gesamtwert von 800 000 Euro.
    »Scheiße, verkauf! Verkauf 35 zu 40 200. Nicht geschafft? Ich hasse dich, unfähige Vollidiotin, du! Leck mich am Arsch!« Klick.
    In regelmäßigen Abständen suchte Giovanni die Damentoilette auf - sie hatte eine Suite für sich, während vierzig Männer sich um das Männerklo prügeln mussten - und hämmerte dort heftig mit der Faust gegen die Wand, um sich abzureagieren. Die wenig empfehlenswerte Alternative wäre gewesen, dem Verrückten aus London zu erklären, wo er sich seine Sprechanlage und seine Futures hinstecken konnte.
    Während Elasti-Giovanni ihre tägliche Schlacht gegen den beginnenden Burn-out und Cosimos Beleidigungen schlug, regierte um sie herum der Wahnsinn.
    Unter dem Tisch des Chefs wohnte eine Ninja-Schildkröte, die, wenn der Mibtel-Index zu stark schwankte, ein ohrenbetäubend lautes, erregtes Stöhnen von sich gab, um die Mitstreiter darauf aufmerksam zu machen, dass es nun hart auf hart gehen würde.
    Manchmal erhoben sich ohne jede Vorwarnung all die Fußsoldaten im Börsensaal samt ihren Krawatten wie ein einziger Mann, sangen im Chor die Macarena und zappelten in deren Rhythmus mit Armen und Beinen. Um anschließend an ihre Arbeit zurückzukehren, als sei nichts gewesen.
    Eines Tages entschied der Chef, der den Spitznamen Fettsack trug, er sei zu dick, und alle anderen ebenfalls.
    Er verhängte über den Börsensaal die »Scheißediät«. Um den Teamgeist zu stärken und überflüssiges Fettgewebe abzubauen, mussten mittags nun alle die »Scheißesuppe« herunterwürgen, eine gelbliche Brühe auf Zwiebelbasis.
    Während die Kollegen am Wochenende in Monte Carlo ihren Aperitif tranken, um anschließend im Marbella Country Club Golf zu spielen, schlief Elasti-Mama 48 Stunden durch, verdaute die Scheißesuppe und träumte von Cosimo und der Sprechanlage.
    Drei Monate hatte sie das schon durchgehalten, als eine Fee mit Schnurrbart sie anrief und ihr sagte, man suche eine Person (keinen Giovanni) für die Redaktion - als Journalistin (nicht als Sklavin).
    Von da an war Elasti-Mama eine freie Frau, oder fühlte sich zumindest

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