Insektenstachel
schob den dahinter hängenden Moskitovorhang zur Seite.
Justus und Peter folgten ihr in die Küche. Der Tee war bereits zubereitet und stand in einer Kanne dampfend auf einem Stövchen. Daneben lag auf dem Tisch die Bücherliste, die Mrs Hazelwood sogleich zur Hand nahm. »Hoffentlich ist Laura kein Fehler unterlaufen, als ich ihr die Preise diktierte.« Sie reichte Justus den zusammengehefteten Papierstoß. »Damit habt ihr alles, was ihr für die Auktionsseite im Internet benötigt. Mit Ausnahme der restlichen Kisten im Obergeschoss.« Sie schenkte den Tee in die bereitstehenden Tassen.
Justus brannte es gewaltig unter den Nägeln. »Ich will ja nicht unverschämt sein, Madam, aber ich muss Ihnen gestehen, dass ich mich sehr für ein Buch aus Ihrer Sammlung interessiere und es auch schon zu Hause in mein Regal gestellt habe.«
»Den Bildband über Alfred Hitchcock«, entwich es Mrs Hazelwood geradeheraus. »Richtig?«
Überrascht ließ Justus die Tasse sinken. »Woher wissen Sie das?«
»Dieses Buch hast du vorgestern zuallererst aus dem Karton gezogen und es von vorn bis hinten durchgeblättert. Der letzte Abschnitt ist mit Originalfotos versehen, die zum Schutz mit Seidenpapier verdeckt sind, damit die Bilder nicht zerkratzen. Das Geräusch beim Umschlagen dieser Seiten ließ unverkennbar auf diesen Bildband schließen.«
»Alle Achtung, Madam«, staunte Peter. »Sie scheinen wirklich jedes Ihrer Bücher bis aufs i-Tüpfelchen genauestens zu kennen.«
Mrs Hazelwood nickte stolz. »Und das, obwohl ich jedes von ihnen nur einmal gelesen habe. Mein Mann betrachtete diese Eigenschaft als Phänomen. Sobald ich ein Buch ausgelesen hatte, stellte ich es zu den anderen ins Regal und brauchte es nie mehr hervorzuziehen, da ich den Inhalt Seite für Seite, Kapitel für Kapitel in meinem Kopf gespeichert hatte. Er hat mich oft gefragt, weshalb ich mir überhaupt eine Bibliothek angelegt hätte, wenn ich doch gar nicht mehr auf die schon gelesenen Bücher zurückgreifen müsse.«
»Und was haben Sie ihm geantwortet?«, wollte Justus wissen.
»Dass mich das Vorhandensein glücklich macht. Die Aura. Der Geruch.« Sie atmete tief durch. »Doch das gehört jetzt der Vergangenheit an. Ich muss sie endlich abschließen. Die Trennung von meinen Büchern ist hoffentlich ein Anfang.«
»Was soll ich Ihnen denn für den Bildband zahlen?«, holte Justus die Dame mit seiner Frage in die Gegenwart zurück. »Wären fünfundzwanzig Dollar angemessen?«
»Du willst mich doch nicht beleidigen«, verunsicherte sie ihn mit lauter Stimme. »Das Buch kriegst du selbstverständlich geschenkt. Und auch deine Freunde können sich eins aussuchen. Egal, welchen Preis ich veranschlagt habe.«
»Das ist sehr großzügig, Madam«, bedankte sich Peter. Und Justus stimmte mit ein.
In diesem Moment schoss Mrs Hazelwood blitzartig in die Höhe und schrie erschrocken auf.
»Was haben Sie?« Impulsiv sprang auch Peter von seinem Platz. »Was ist los?«
Ihre Stimme bebte. »Eine Stechmücke! Ein Moskito!« Impulsiv ergriff sie die Bücherliste und rollte diese in Windeseile zusammen. Mit dieser Waffe ausgerüstet drängte sie sich Schutz suchend in die hinterste Ecke der Küche. Dabei hielt sie die Rolle kampfbereit erhoben in der Hand.
»Wo ist sie?« Ihr Atem kam stoßweise. »Wo ist sie?«
»Behalten Sie die Nerven!«, rief Peter. »Ich sehe nichts!«
»Eben war sie ganz dicht an meinem Ohr! Sie will mir das Blut abzapfen!« Mrs Hazelwoods Gesicht war schweißnass. »Wo ist sie?«
In diesem Augenblick wurde der Zweite Detektiv kreidebleich. Seine Augen fixierten den linken Handrücken der Dame. Auf ihm saß eine Stechmücke, die im Begriff war, ihren verzahnten Saugrüssel unter die Haut zu treiben.
Übelkeit
Noch ehe Peter reagieren konnte, fuhr ein kurzes Zucken durch Mrs Hazelwoods Körper. Dann klatschte ihre rechte Hand blitzschnell auf den linken Handrücken. Doch es war zu spät. Das Insekt hatte bereits zugestochen.
»Dieses verdammte Miststück!« Mrs Hazelwood rang immer heftiger nach Luft.
Peter wandte sich verzweifelt an Justus. »Das kann so doch nicht weitergehen. Sie dreht noch durch!«
»Mrs Hazelwood, so beruhigen Sie sich doch! Es war nur eine klitzekleine Stechmücke. Sie ist tot!« Der Erste Detektiv war mit seiner Weisheit am Ende.
»Sollen wir einen Arzt rufen?«, erkundigte sich Peter besorgt.
»Auf gar keinen Fall«, erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen. »Damit werde ich allein fertig.«
»Diesen
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