Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
lassen, und zwar schnell. Wenn Cassie die Wahrheit erfuhr, würde es eine Katastrophe geben.
Malin erwartet Cassie bereits. “Vorhin hat ein Herr aus England für Sie angerufen, Miss Dorkins. Ich wusste nicht, wo Sie stecken, deshalb habe ich seine Nummer notiert und ihm gesagt, dass Sie ihn zurückrufen. War das richtig?”
Cassies Magen zog sich schmerzhaft zusammen. “Ein Herr sagen Sie? Wissen Sie zufällig auch seinen Namen?”
“Oh ja, natürlich. Ich hab’s ja normalerweise nicht so mit Namen, aber diesen konnte ich mir gut merken. Er sagte, sein Name sei Bond. Sie wissen schon, wie dieser Geheimagent aus dem Kino.” Die Haushälterin zog einen gefalteten Zettel aus der Tasche ihrer Strickjacke und überreichte ihn Cassie. “Hier ist seine Nummer. Es schien dringend zu sein.”
“Vielen Dank”, murmelte Cassie abwesend. Sie war in Gedanken schon dabei, sich die Worte für das unvermeidliche Telefongespräch zurechtzulegen. Mit weichen Knien stieg sie die gewundene Treppe hinauf und ging auf ihr Zimmer. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, sank sie mit dem Rücken dagegen und schloss die Augen.
Abgesehen von seinem Namen hatte Charles Bond tatsächlich überhaupt nichts mit dem charmanten Leinwandhelden gemein, auf den Malin angespielt hatte. Er war stellvertretender Direktor von Dolphin Books und während Mr. Berkeleys Abwesenheit für die Verlagsgeschäfte verantwortlich. Sein Anruf auf Svergå konnte nur eines bedeuten: Er wollte Cassie Druck machen, sie dazu bringen, möglichst schnell Ergebnisse zu liefern. Und sie hatte bisher nichts, aber auch gar nichts erreicht. Sicher, sie war auch noch nicht allzu lange auf der Insel, aber wenigstens ein Lagebericht wurde von ihr erwartet. Wie weit ist Dale mit seinem Roman, wie lange wird es noch dauern, haben Sie schon die ersten Seiten gelesen … Genau diese Fragen würde Bond ihr stellen, dummerweise kannte sie auf keine einzige eine Antwort.
“Jetzt nur nicht durchdrehen …” Sie ging zum Bett, setzte sich auf die Kante und griff nach dem Telefon, das auf dem Nachttisch bereitstand. Ihre Finger zitterten leicht, als sie die Nummer des Verlags anwählte.
Zu ihrer Überraschung wurde sie von der Zentrale direkt in das Büro des stellvertretenden Verlagsleiters weiterverbunden, ohne einen Umweg über sein Vorzimmer zu nehmen. Offenbar wartete Mr. Bond bereits ungeduldig auf ihren Rückruf.
Die Warteschleifenmusik zerrte an Cassies Nerven, doch sie musste sie nicht allzu lange ertragen, denn Bond meldete sich bereits nach dem dritten oder vierten Klingeln.
“Was haben sie erreicht?”, fragte er, ohne sich lange mit einer Vorrede aufzuhalten.
“Nun Mr. Bond, es ist so …” Cassie schluckte schwer. Sie war erschrocken darüber, wie dünn und gepresst ihre Stimme klang. Blieb nur zu hoffen, dass ihre Unsicherheit dem stellvertretenden Verlagsleiter nicht allzu deutlich auffiel. “Ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, einen Blick in das Manuskript von Mr. Prescott zu werfen. Er befindet sich augenblicklich in der Endphase des neuen Romans, und er möchte …”
“Es ist mir völlig egal, was Prescott möchte”, fiel Bond ihr barsch ins Wort. “Ihm wurde bereits eine äußerst großzügige Aufschiebung seines Abgabetermins gewährt, jedoch nur unter der Bedingung, dass Sie, Miss Dorkins, das Rohmanuskript des Romans einsehen dürfen. Wenn Prescott dies nun verweigert, kommt es einem Vertragsbruch gleich, das haben Sie ihm hoffentlich klargemacht.”
“Nun, ich dachte, es wäre vielleicht besser, noch ein paar Tage abzuwarten, bis …”
“Miss Dorkins, ich war der Meinung, Mr. Berkeley hätte Ihnen Ihre Instruktionen vor Ihrer Abreise dargelegt. Sie sollen sich das Manuskript ansehen und uns eine knappe Bewertung zukommen lassen, nicht mehr und nicht weniger. Sind Sie jetzt in der Lage, diesen Auftrag auszuführen, ja oder nein?”
Cassie atmete tief durch. “Ja.”
“Sehr schön”, entgegnete Bond übertrieben freundlich. “Dann haben wir diese Angelegenheit ja geklärt. Ich erwarte Ihre Meldung in spätestens drei Tagen, und ich kann nur für Sie hoffen, dass Sie bis dahin erfreulichere Neuigkeiten für mich haben.”
Ohne ein weiteres Wort beendete Charles Bond das Gespräch. Cassie legte langsam den Hörer zurück auf die Gabel und sank auf das Bett. Ihr Herz pochte wie wild. Sie fühlte sich so schwach, als hätte man ihr sämtliche Energie aus dem Körper gesaugt.
Was für ein unsympathischer Mensch dieser
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