Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
Ihr Mund wurde trocken. Mit einer altmodischen Sense war er dabei, den Rasen hinter dem Haus in Form zu bringen. Sein Flanellhemd lag achtlos beiseite geworfen auf dem Boden, halb begraben unter einem hohen Berg Gras. Zu seinen Jeans trug er nur ein verwaschenes Achselshirt, und bei jeder seiner kraftvollen Bewegungen konnte Cassie das Spiel der Muskeln beobachten, die sich unter der schweißglänzenden Haut abzeichneten.
Sie zwang sich, den Blick abzuwenden, doch die Reaktion ihres eigenen Körpers konnte sie nicht unterdrücken. Ihr Herz klopfte aufgeregt, und sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Bist du verrückt, fragte sie sich, erschrocken über die fiebrige Erregung, die Dales Anblick in ihr auslöste. Hast du schon vergessen, was passiert, wenn man sich mit einem Schriftsteller einlässt?
Selbst wenn sie davon absah, dass sie sich vor nicht allzu langer Zeit geschworen hatte, niemals wieder Beruf und Privatleben miteinander zu vermischen – Dale verbarg etwas vor ihr. Es schien, als würden sich für jede Frage, die er ihr beantwortete, zwei neue auftun.
Sein Manuskript war ganz offensichtlich hervorragend. Warum also hatte er sich dann zunächst so strikt geweigert, sie auch nur einen Blick hineinwerfen zu lassen? Auch sein Verhalten ihr gegenüber gab Cassie immer wieder Rätsel auf. Mal behandelte er sie wie einen verhassten Feind, im nächsten Moment gab er sich charmant und freundlich. Man wusste nie, woran man an ihm war.
Vielleicht wollte sich auch deshalb das Gefühl von Erleichterung nicht einstellen, das sie nach der Lektüre der ersten Kapitel von
Einsame Herzen
doch eigentlich hätte verspüren müssen. Stattdessen fragte sie sich argwöhnisch, warum er sie nicht gleich den ganzen Roman hatte lesen lassen.
Eine leise, aber beharrliche Stimme in ihrem Inneren warnte sie, sich zu sehr über den vermeintlichen Erfolg zu freuen. Ein erschreckender Gedanke kam ihr. Was, wenn er bisher gar nicht mehr zu Papier gebracht hatte als diese beiden Kapitel? Was, wenn diese ersten vierzig Seiten alles waren, was er in all den Monaten geschrieben hatte?
Es half nichts, sie musste einfach auf Nummer sicher gehen. Wenn sie Mr. Bond jetzt erklärte, dass Dales Roman ein echter Knüller war, und es stellte sich im Nachhinein als Falschmeldung heraus, wäre das eine regelrechte Katastrophe. Nicht auszudenken, was das für ihre Zukunft bedeuten würde! Nein, sie musste zuerst herausfinden, wie es um den Rest des Manuskriptes stand. Vorher durfte sie auf keinen Fall ein Urteil fällen. Und das bedeutete, dass sie noch einmal mit Dale sprechen musste.
Entschlossen schlüpfte sie in ihre Schuhe und verließ ihr Zimmer. Auf dem Weg zur Treppe kam sie an Dales Arbeitsraum vorbei. Cassie verharrte. Verstohlen blickte sie sich um, dann streckte sie die Hand nach dem Türknauf aus und drehte ihn.
Verschlossen.
Sie wusste nicht, ob sie darüber erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Zum einen war sie froh, denn der Gedanke, ungefragt in Dales Heiligtum einzudringen, behagte ihr ganz und gar nicht. Andererseits hätte ein kurzer Blick auf das Manuskript bereits genügt, um ihre größten Zweifel zu zerstreuen. Sie hätte zumindest sehen können, dass es – abgesehen von den ersten zwei Kapiteln – überhaupt existierte! Doch ehe sie zu solch drastischen Mitteln griff, fand sie es nur fair, Dale noch eine letzte Chance zu geben.
“
Hej Cassie”
, rief er, als sie hinaus in den Garten trat. Er lehnte die Sense an die Hauswand und wischte sich den Schweiß von der Stirn, wobei sein Shirt aus dem Bund der Jeans rutschte und den Blick auf seinen Waschbrettbauch freigab.
Cassie rang um Fassung. Lieber Himmel, was war bloß mit ihr los? Zugegeben, Dale war alles andere als unattraktiv. Doch war ihre heftige Reaktion auf ihn denn eigentlich noch als normal zu bezeichnen?
“
Hej.”
Angestrengt versuchte sie, sich das nervöse Flattern, das sein Anblick in ihr auslöste, nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Verdammt, konnte er sich nicht endlich wieder etwas Anständiges anziehen? Wie sollte sich denn so ein Mensch konzentrieren? “Ich würde gerne kurz mit Ihnen sprechen, wenn es möglich ist.”
“Klar, warum nicht.” Er schnappte sich das Hemd vom Boden und streifte es über. “Lassen Sie uns reingehen. Vielleicht kann ich noch ein Stück von Malins berühmtem Apfelkuchen für uns organisieren.”
Ein paar Minuten später saßen sie einander gegenüber am Küchentisch. Dale ließ es sich
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