Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
Worte. Hatte Janet Masterson tatsächlich gesagt, was sie zu hören geglaubt hatte? “Sie wollen den Roman nicht mehr? Aber warum denn nicht? Ich meine, Mr. Berkeley hat mich doch eigens deswegen nach Schweden geschickt, und …”
“Sie scheinen ein wenig schwer von Begriff zu sein, Miss Dorkins, darum noch einmal: Sie können mit dem Roman machen, was immer Ihnen beliebt. Dolphin Books jedenfalls hat nicht mehr das geringste Interesse daran. Mr. Prescott hat unsere Geduld bereits mehr als überstrapaziert, und wie mir zu Ohren kam, hat er sich Ihnen gegenüber auch nicht unbedingt kooperationsbereit gezeigt. Er mag ein recht passabler Schriftsteller sein, doch er ist nicht unersetzlich. Wir können einen Autor, der nicht in der Lage ist, seine Vertragsklauseln einzuhalten, nicht gebrauchen.”
“Aber …”
“Kein Aber, Miss Dorkins. Ich erwarte Sie pünktlich in meinem Büro. Dort können wir dann über alles Weitere sprechen – auch, was Ihre weitere Zusammenarbeit mit dem Hause Dolphin Books betrifft.”
Ehe Cassie noch etwas erwidern konnte, wurde die Leitung unterbrochen. Sie spürte, wie Panik in ihr aufstieg.
Auch, was Ihre weitere Zusammenarbeit mit dem Hause Dolphin Books betrifft …
Sie brauchte kein Genie zu sein, um zu ahnen, was das bedeutete. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Wieder stand sie am Abgrund, und wieder hatte sie das alles einer Frau zu verdanken: Janet Masterson.
Reiß dich zusammen, rief sie sich zur Ordnung. Es hilft niemandem, wenn du jetzt den Kopf verlierst. Denk nach! Es muss eine Lösung für dieses Dilemma geben! Es muss einfach!
Die Frage lautete nur: welche?
Es war kurz nach neun, als Cassie endlich den Mut fand, Dale in seinem Arbeitszimmer aufzusuchen. Eine gute halbe Stunde hatte sie zuvor unter der Dusche gestanden und sich dann langsam angezogen, doch schließlich war ihr keine Ausrede mehr geblieben, um das fällige Gespräch mit Dale weiter aufzuschieben.
Zaghaft klopfte Cassie an die Tür des Arbeitszimmers. Sie erwartete ein schlichtes “Herein”, doch als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Dale vor ihr stand, schwankte sie für einen Moment in ihrem Vorhaben, doch dann reckte sie sich und sagte mit fester Stimme: “Ich reise ab. Noch heute Abend.”
Dale blickte sie abwägend an. Er schien nicht so genau zu wissen, ob er sich über ihre Eröffnung freuen oder sich darüber aufregen sollte. Schließlich seufzte er. “Wenn du meinst, dass du es hier bei mir nicht länger aushältst. Es war dein Vorschlag, gemeinsam mit mir den Roman zu beenden, Cassie, nicht meiner. Wenn du es dir jetzt anders überlegt hast, dann …”
“Ich habe es mir keineswegs anders überlegt”, widersprach sie rasch. “Allerdings sind einige Entwicklungen eingetreten, die uns zwingen, noch schneller vorzugehen, als wir es ohnehin schon geplant haben.” Sie atmete tief durch. “Ich hatte heute Morgen ein aufschlussreiches Telefonat mit Janet Masterson, der Stellvertreterin von Mr. Berkeley. Sie teilte mir mit, dass
Einsame Herzen
vom Verlag nicht länger gewünscht wird.”
“Wie bitte?” Dales Augen wurden groß. “Noch letzte Woche hatten sie es doch so eilig mit der Fertigstellung des Romans. Und jetzt wollen sie ihn nicht mehr?” Er schüttelte den Kopf. “Das ist eine Katastrophe.”
“Ja, und zwar nicht nur für dich, sondern auch für mich. Es gibt jetzt nur noch eine einzige Chance, unsere Köpfe aus der Schlinge zu ziehen. Im Grunde ist der Roman ja schon fertig, es fehlt nur noch der Feinschliff. Alles Dinge, die ich zur Not auch von London aus erledigen kann – sofern es mir gelingt, Mrs. Masterson davon zu überzeugen, dass
Einsame Herzen
ein voller Erfolg sein wird, den sich Dolphin Books auf keinen Fall entgehen lassen darf.”
“Und wie willst du das anstellen?”
Genau das war die Schwachstelle ihres Plans, denn Cassie hatte im Moment noch nicht die geringste Ahnung, wie sie das bewerkstelligen sollte. Sie wusste nur eines: Es war die einzige Möglichkeit, das drohenden Desaster abzuwenden. Wenn sie ihren Job behalten und Dale helfen wollte, musste sie es wenigstens versuchen. Zudem sagte ihr eine innere Stimme, dass sie so schnell wie möglich aus Dales Nähe verschwinden musste, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, ihr Herz endgültig an ihn zu verlieren – wenn es dazu nicht bereits zu spät war.
“Ich werde mir schon etwas einfallen lassen”, sagte sie rasch. “Mein Flug geht heute Nachmittag. Das Manuskript werde ich mitnehmen
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