Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
und mich, sofern alles gut läuft, dann spätestens morgen Mittag wieder bei dir melden. Hoffentlich mit positiven Neuigkeiten.”
Den Rest des Vormittags verbrachte Cassie damit, sich auf ihre Abreise vorzubereiten. Dabei war sie froh, dass Dale sich beinahe ununterbrochen in seinem Arbeitszimmer aufhielt, denn sie hatte ohnehin vorgehabt, ihm, so weit es möglich war, aus dem Wege zu gehen. Ein letztes Mal ging sie durch den üppig blühenden Bauerngarten und dann hinunter zum Strand. Sie schob das seltsam bedrückte Gefühl, das sich mit jeder verstreichenden Stunde verstärkte, auf das bevorstehende Gespräch mit Janet Masterson. Insgeheim aber wusste sie, dass dem nicht so war. Sie vermisste Dale, Malin und auch die Insel Svergå jetzt schon. Seltsam, wo sie anfangs geglaubt hatte, dass sie niemals auf einem verlassenen Fleckchen Erde wie diesem leben könnte. Erst jetzt wurde ihr klar, wie wohl und geborgen sie sich hier gefühlt hatte.
Das wird vergehen, redete sie sich gut zu. Es dauert gewiss nicht lange, bis du dich wieder in London eingelebt hast und die Zeit in Schweden dir wie ein ferner Traum erscheint. Doch so recht konnte sie selbst nicht daran glauben.
Schließlich war es so weit. Seufzend trat Cassie ans Fenster. Das Wetter entsprach ihrer Stimmung. Düstere, graue Wolken hingen tief am Himmel, und ein kräftiger Wind fegte über Svergå hinweg. Ein Unwetter zog auf, es konnte nicht mehr lange dauern, bis es zu regnen begann.
Wie aufs Stichwort zerriss ein Blitz den bleigrauen Himmel, der sich am Horizont mit dem schieferfarbenem Ozean zu vermischen schien. Kurz darauf folgte ein grollender Donner, dann klatschten die ersten dicken Regentropfen gegen die Fensterscheibe. Innerhalb weniger Sekunden hing ein dichter Regenschleier über der Insel. Auch die graue Katze schien froh zu sein, ein warmes Plätzchen gefunden zu haben, und blickte nun von der Fensterbank nach draußen und beobachtete interessiert die sich entladenden Wolkenmassen.
Na prima, dachte Cassie beklommen, in ein paar Stunden werde ich schon unterwegs in Richtung London sein. Der Gedanke, während des Orkans ein Flugzeug besteigen zu müssen, behagte ihr überhaupt nicht. Und wie um sich selbst zu trösten, strich sie Lotta liebevoll über das getigerte Fell. Das einsetzende Schnurren der Katze hatte tatsächlich eine beruhigende Wirkung auf sie. Wahrscheinlich würde sich der Sturm bald wieder abschwächen, dennoch sollten sie etwas mehr Fahrtzeit einkalkulieren. Cassie wollte gerade zu Dale hinübergehen und ihn bitten, ein wenig früher zum Flughafen aufzubrechen, als sie Malin im Korridor begegnete. Die Schwedin wirkte völlig aufgelöst.
“Haben Sie die Hanna irgendwo gesehen?”
Cassie schüttelte den Kopf. “Nein, tut mir leid. Aber weiß denn ihre Schwester nicht, wo sie ist?”
“Nein, eben nicht!”, stieß Malin aufgeregt hervor. “Die beiden wollten zusammen einen Spaziergang über die Insel machen. Marit ist bereits vor einer guten halben Stunde zurückgekehrt, aber sie sagt, dass sie auch nicht weiß, wo Hanna steckt.”
“Jetzt beruhigen Sie sich doch erst einmal, Malin”, sagte Cassie und legte der älteren Frau tröstend den Arm um die Schulter. “Ihre Enkelinnen sind doch nicht das erste Mal auf Svergå, sie kennen sich hier aus. Ich bin sicher, Hanna hat sich bloß irgendwo untergestellt, um abzuwarten, bis der Regen nachlässt.”
“Unter normalen Umständen würde ich mir ja auch keine Sorgen machen”, gestand sie. “Aber dieser verflixte Sturm … Ich hasse Gewitter, sie jagen mir eine Heidenangst ein. Hanna weiß, dass ich keine ruhige Minute habe, solange sie sich während dieses Unwetters draußen herumtreibt. Glauben Sie mir, sie wäre schnurstracks zum Haus zurückgekehrt, auch wenn es in Strömen regnet.” Sie schüttelte den Kopf. “Irgendetwas ist dem Kind zugestoßen, dass spüre ich ganz deutlich. Lieber Gott, was soll ich denn jetzt bloß tun? Ich bin doch für die beiden verantwortlich!”
Cassie zog sich der Magen zusammen. Malins Worte hatten sie verunsichert, doch sie versuchte, gelassen zu klingen, als sie sagte: “Keine Angst. Dale und ich werden Hanna suchen und nicht eher ruhen, bis wir die Kleine gefunden haben, Malin.”
10. KAPITEL
“W as um Himmels willen hast du vor?”, fragte Cassie entsetzt, als Dale geradewegs auf den Bootssteg zueilte. “Du willst bei diesem Unwetter doch wohl nicht mit der Skägård rausfahren? Das ist doch Wahnsinn, Dale!”
“Keine
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