Insel, aus Traeumen geboren
konnte er ihr beweisen, dass sie zusammengehörten?
Ein leises Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Jack öffnete und sah Marilyn draußen stehen. In der Hand hatte sie ein weißes Batistnachthemd.
„Das ist für Ihre Frau“, sagte sie. „Helen hat mehrere davon unten an der Treppe gefunden, und ich teile sie aus.“
„Danke, Olivia wird bestimmt froh darüber sein.“
„Nur für heute Nacht, bis wir morgen einkaufen und uns neue Sachen besorgen können“, meinte Marilyn gesprächig. „Hoffentlich finde ich hier etwas in meiner Größe.“
Jack nickte. Auf seinen Expeditionen hatte es immer wieder Pannen gegeben, doch ohne Kleidung hatte er noch nie dagestanden.
„Wir sind alle so froh, dass Sie es geschafft haben, Jack“, versicherte Marilyn ihm. „Wir waren uns allerdings auch im Klaren, dass Sie uns nicht im Stich lassen würden. Das haben Sie noch nie getan.“
„Ich bin auch glücklich, dass uns allen nichts passiert ist.“
„Wie geht es Ihrer Frau? Sie war außer sich vor Angst um Sie. Wir wussten schon gar nicht mehr, wie wir sie trösten sollten.“
Olivia hatte sich Sorgen um ihn gemacht? Unsinn. Sie war nur wütend gewesen, weil er nicht zu ihr ins Rettungsboot gestiegen war. „Gut“, erwiderte er. „Sie genießt gerade ein Bad.“
Marilyn sah ihn ungläubig an. „Sie sagte etwas davon, dass Sie getrennt leben würden, aber …“
„Ja, das stimmt“, erwiderte er mit hörbarem Bedauern in der Stimme. Olivia würde ihn umbringen, wenn er jedem erzählte, dass er es sich diesen Sommer zum Ziel gesetzt hatte, sie zurückzuerobern. „Wir arbeiten nur noch zusammen, weiter nichts.“
„Ah, ich verstehe“, erwiderte Marilyn, doch Jack hatte eher den Eindruck, dass sie absolut nichts verstand. Nun, Olivia würde die Dinge schon klären. Das war nicht seine Aufgabe.
Als Marilyn gegangen war, lauschte er auf die Laute, die aus dem Bad drangen. Könnte er die Zeit um sieben Jahre zurückdrehen, würde er jetzt mit Olivia in der Wanne sitzen, ihr den Rücken einseifen und den Schaum auf ihren Schultern und Brüsten verteilen.
Jack atmete tief ein und aus. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ebenfalls an dieser Ausgrabung teilzunehmen. Er konnte an nichts anderes denken, als mit Olivia in diesem Bett zu liegen. In Sekundenschnelle würde er ihr das Nachthemd ausgezogen haben, und dann …
Er warf es aufs Bett und ließ sich draußen auf dem Balkon wieder in dem Sessel nieder. Allmählich begann ihm klar zu werden, dass die Chancen für eine Versöhnung nur gering waren. Er machte sich etwas vor, wenn er glaubte, dass Olivia jemals zu ihm nach Kalifornien kommen würde. Jetzt war es noch unwahrscheinlicher als damals. Sie hatte ihm deutlich klargemacht, wo ihre Prioritäten lagen, und diese schlossen ihn nicht mit ein.
Wenn er nur endlich diese quälenden Erinnerungen loswerden würde! Jack legte die Füße auf das Balkongeländer und lehnte sich mit geschlossenen Augen im Sessel zurück. Irgendwo am Strand sang jemand zur Bouzouki. Lange hatte er diese Klänge nicht mehr gehört. Obwohl er den Text des Liedes nicht verstand, war er sicher, dass sich der Inhalt um Liebe, Familienstreitigkeiten, Trauer um verlorene Jahre und verpasste Gelegenheiten und andere Krisen drehte.
Jack wusste es so genau, denn es war sein eigenes schmerzliches Lied. Seins und Olivias.
3. KAPITEL
„Oh, what a beautiful morning …“
Der laute Gesang riss Olivia unsanft aus ihrem Schlaf. Sie setzte sich im Bett auf und blinzelte in das Sonnenlicht, das ins Zimmer fiel.
„… oh, what a beautiful day.“
Es war Jack, der im Bad sein Lieblingslied aus dem Musical Oklahoma aus voller Kehle sang, als wäre in den letzten zwei Jahren nichts geschehen. War das tatsächlich der Mann, der am Morgen immer unausstehlich gewesen war, bis er seinen Kaffee bekam? Sie dagegen hatte wie ein Bär geschlafen, obwohl sie sonst schon immer in aller Frühe auf den Beinen war.
Wie spät war es überhaupt?
In ihrem Batistnachthemd trat sie auf den Balkon hinaus und nahm das atemberaubende Bild in sich auf, das sich ihr bot. Das Meer glitzerte in der Morgensonne, und viele Boote waren im Auslaufen begriffen. Aus der Küche unter ihr stiegen verlockende Düfte nach Kaffee und frisch gebackenem Brot zu ihr auf, und im Patio saßen bereits einige Leute beim Frühstück.
Immer noch singend und nur mit einem Handtuch bekleidet, das er sich lose um die Hüften geschlungen hatte, erschien Jack auf
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