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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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wußte, ob ein Sturm oder eine der ge-fürchteten totalen Flauten drohte, die selbst stählerne Nerven auf die Probe stellten, entdeckten sie ein Schiff am Horizont.
    Alle Augen folgten ihm.
    Es war eine mittelgroße Galeone, deren Reling im
    Verhältnis zur Länge des Schiffs unverhältnismäßig hoch schien. Zunächst hielt das Schiff direkt auf die Piraten zu, dann schien es jedoch Vorsichtsmaß-
    nahmen zu treffen, indem es den Kurs änderte, of-
    fenkundig mit der Absicht, gut zwei Meilen luvseits zu kreuzen.
    »Die Masten hoch!« befahl der Schotte angesichts
    dieses Manövers. »Und haltet die hohen Segel be-
    reit.«
    »Greifen wir an?« fragte verblüfft Lucas Castano.
    Ein leichtes Kopfschütteln war die Antwort.
    »Nein! Aber mit den Segeln, die er gesetzt hat,
    sollte er nicht nach Luv abfallen, sondern leeseits fahren. Ich trau ihm nicht.«
    »Vielleicht eine Falle?«
    »Unter einer so hohen Reling könnte er durchaus
    drei Kanonenreihen verbergen. Leute, paßt auf…!«
    rief er seiner Mannschaft auf Deck zu, die auf seine Befehle wartete. »Wenn das Schiff nur eine Idee auf uns zuhält, alle Segel setzen, Steuer hart Backbord und ab wie der Teufel!«
    »Können wir ihn nicht stellen?« wollte Sebastián
    wissen.
    Der Glatzkopf schaute ihn an wie einen Idioten.
    »Hier und jetzt? Ich müßte verrückt sein! Wenn er uns ködern will, hat er wenigstens fünfzig Dreißig-pfünder an Bord, mit denen er uns in Stücke reißen kann. Bei der Schlacht hätten wir keine Chance.«
    Also warteten sie weiter ab, schweigend und ange-
    spannt, die Augen starr auf den Bug eines Geisterschiffs gerichtet, auf dessen Brücke kein menschliches Wesen auszumachen war.
    »Gefällt mir nicht!« gab Lucas Castano schließlich zu. »Gefällt mir überhaupt nicht.«
    »Macht die Rauchflöße fertig«, flüsterte der Schot-te, und sein Befehl wurde von Mann zu Mann auf
    Deck weitergegeben.
    Besagte »Flöße« waren in Wirklichkeit nur riesige, mit Öl und Schießpulver getränkte Strohballen. Angezündet verbreiteten sie einen dichten Rauch, der die Sicht der Kanoniere behinderte und die Flucht des in Bedrängnis geratenen Schiffs begünstigte.
    Die Galeone, auf deren Bug man den provokanten
    Namen Vendaval (»Sturmwind«) entziffern konnte,
    setzte ihre schnelle Fahrt fort, wobei sie allmählich nach Steuerbord abfiel, als wollte sie so weit wie möglich an der Jacare vorbeisegeln. Doch als die
    Entfernung nur noch eine knappe Meile betrug,
    grollte Kapitän Jack vor sich hin und zog geräuschvoll den Rotz hoch:
    »Entweder ändern die jetzt gleich den Kurs, oder
    sie können bei diesen Segeln ihr Manöver nicht fortsetzen, ohne längsseits zu gehen.«
    Ohne Zweifel war er ein großartiger Seemann.
    Der beste seines Metiers, von dem alle an Bord
    stets eine Menge lernen konnten. Denn kaum hatte
    er seinen Satz ausgesprochen, drehte der Bug der
    Vendaval langsam nach Backbord.
    Unverzüglich brüllte der Schotte los:
    »Alle Segel setzen, Steuer hart Backbord, Flöße ins Wasser!«
    Drei Minuten später bot die Jacare der Vendaval
    nur noch ihr Achterschiff, machte geradezu einen
    Sprung nach vorn und glitt wie das schärfste Messer von Miguel Heredia durch die Wogen, während acht
    in ihrem Fahrwasser brennende Strohballen dichte, schwarze und stinkende Rauchsäulen aufsteigen
    ließen.
    Die Kanonen der Galeone feuerten nur ein einziges Mal, ohne damit den Küstensegler zu gefährden, der in der Ferne verschwand. Die Besatzung amüsierte
    sich in der Zwischenzeit damit, dem Feind mit ein-deutigen Handzeichen deutlich zu machen, wie we-
    nig Respekt das schnellste Schiff der Karibik vor der Feuerkraft der Vendaval hatte.
    Am Nachmittag war vom Angreifer keine Spur
    mehr zu sehen. Nun ließ der Kapitän die Glocke
    läuten, bis sich die gesamte Besatzung unterhalb des Achterkastells versammelt hatte.
    »Jetzt sind wir an der Reihe!« sagte er.
    »Greifen wir an?« riefen einige Stimmen im Chor,
    wobei sie eine Spur echter Begeisterung nicht verbergen konnten.
    »Natürlich!« gab der Schotte zurück und wandte
    sich Lucas Castano zu. »Die schwarze Flagge
    hoch!«
    Zustimmendes Raunen erfüllte das Deck, und bald
    grinsten die meisten Besatzungsmitglieder übers
    ganze Gesicht, als der riesige Totenschädel mit Krokodil am höchsten Mast flatterte.
    »Alle Kanonen nach Backbord«, befahl der Glatz-
    kopf, während er mit absoluter Gelassenheit den
    Rotz hochzog. »Hundert Mal haben wir das schon
    geübt, doch vergeßt mir keinen

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