Insel der Freibeuter
er sich an die Stirn. »Jahrelang hat er sie studiert, und jetzt kennt er sie auswendig. Meine Hoffnung ist, daß er sich eines Tages zur Ruhe setzt und sie mir überläßt.«
Astrid schüttelte ihre flammende Mähne.
»Er wird sie verkaufen.«
»Das bezweifle ich«, entgegnete Sebastián unge-
rührt. »Er weiß, wenn er sie verkauft, wird man Kopien anfertigen, und viele sind der Meinung, daß
nicht jeder Idiot in der Karibik herumsegeln sollte, als würde er sie wie seine Westentasche kennen.«
»Warum nicht?«
»Du liebe Zeit! Stell dir mal vor, dein Freund
Mombars kreuzt durch die Karibik ohne Angst, ir-
gendwo aufzulaufen? Der würde solche Schlachtfe-
ste veranstalten, bis die Krone sich schließlich gezwungen sähe, eine richtige Flotte in die Antillen zu schicken. Nein, der Alte hat schon recht. Dieser
Schatz muß in guten Händen bleiben.«
Er begann sie zu streicheln und zu küssen, um sich wieder dem Liebesspiel im Sand hinzugeben und
erklärte damit die Unterhaltung definitiv für beendet.
Die Rothaarige ließ ihn gewähren, zunächst in Ge-
danken versunken. Bald aber schloß sie sich dem
erregenden Spiel mit ehrlicher Hingabe an, bis die beiden schließlich völlig erschöpft waren.
Kurze Zeit danach sprang Sebastian auf.
»Ich muß gehen! Halt mir Samstag abend frei.«
Er kehrte zum Strand zurück, wo ihn bereits Justo Figueroa erwartete. Neben ihm stand eine kleine
Kutsche mit zwei ungeduldigen Pferden. Kurze Zeit darauf tauchte ein Boot aus der Finsternis auf, aus dem Celeste Heredia und ihr Vater stiegen.
Er küßte sie zärtlich und überreichte ihnen einen Schlüsselbund.
»Ihr könnt es nicht verfehlen!« sagte er ihnen zum Abschied. »Folgt einfach der Küstenstraße, bis ihr an dem abgebrannten Haus vorbeikommt. Gut zwei
Meilen später werdet ihr eine große blauweiße Villa finden. Die ist es.«
»Wann kommst du uns besuchen?« wollte seine
Schwester wissen.
»Sobald ich kann.«
»Wie ist es letzte Nacht gelaufen?«
»Ich habe den Köder ausgelegt. Jetzt muß sie den
nächsten Schritt machen. Ich denke, wir werden bald wissen, ob sie wirklich mit Mombars in Kontakt
steht oder nicht.«
»Paß gut auf dich auf!« empfahl ihm Miguel Here-
dia.
Sebastián tätschelte den dichten, bereits weißen
Bart, den sich sein Vater in letzter Zeit hatte wachsen lassen und der ihm das Aussehen eines strengen Patriarchen verlieh.
»Mach dir keine Sorgen!« entgegnete er mit Hu-
mor. »Der einzige, der sich Gedanken machen muß,
ist der alte Kapitän Jacare Jack, der das ganze Archiv im Kopf hat. Und wenn er den treffen will, muß er schon nach Aberdeen fahren.«
»Nimm die Sache nicht zu leicht«, sagte sein Vater.
»Dieser Mombars ist irre, und die Irren sind stets unberechenbar.« Er blinzelte ihm zu. »Das weiß ich aus Erfahrung.«
Am Horizont war ein erster Lichtschein zu sehen.
Schnell würde der Morgen anbrechen. Dann tum-
melten sich die »ehrbaren« Einwohner der Stadt auf den Straßen. Daher drängte er die beiden, in die Kutsche zu steigen.
»Vertrau mir! Ich verspreche dir, wenn die Sache
zu brenzlig wird, vergesse ich die Ira de Dios und ihr goldenes Geschirr. Und jetzt los! Man soll uns lieber nicht zusammen sehen.«
Er sah zu, wie die kleine Kalesche in der Ferne verschwand, und nachdem er sich vergewissert hatte,
daß sie den Weg nach Caballos Blancos eingeschla-
gen hatte, stieg er in das Boot, das auf ihn wartete, um an Bord der Jacare zurückzukehren.
Lucas Castano empfing ihn am Fuß der kleinen
Treppe.
»Und?« wollte er wissen.
»Der Köder ist ausgelegt. Jetzt heißt es abwarten, ob der Fisch anbeißt.«
»Er wird anbeißen«, versetzte der Panamese. »Frü-
her oder später wird er anbeißen.«
»Ein bewaffneter Mann soll vor der Tür der Kajüte Wache stehen«, befahl Sebastian. »Unauffällig, aber man muß ihn von Land aus mit einem guten Fernglas sehen können. Wir müssen den Anschein er-
wecken, daß sich drinnen ein Schatz verbirgt.«
»Gestern nacht hat uns Kapitän Scott wieder be-
sucht. Er bestand darauf, den Alten zu sehen. Sie waren gute Freunde.«
»Das nächste Mal flüsterst du ihm ins Ohr, daß der Alte ihn nicht sehen will, weil er Ziegenpeter hat.«
»Mumps?« entgegnete sein Stellvertreter perplex.
»Aber das ist doch eine Kinderkrankheit!«
»Das weiß ich. Aber es heißt, wenn man sich als
Erwachsener ansteckt, wird man davon unfruchtbar.
Sag Kapitän Scott, daß der Alte deshalb niemanden sehen will,
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