Insel der glühenden Sonne
hab ich gedacht, ich seh ein Gespenst.«
»Was soll ich mit ihr anfangen? Sie kann nicht hier bleiben! Dossie, die haben mich ausgetrickst. Es ist nicht zu fassen.«
Sie konnte nur zustimmend nicken.
»Ich muss darüber nachdenken.«
»Warum ruhen Sie sich nicht im Salon aus? Ich bringe Ihnen heiße Schokolade und Brötchen.«
»Danke. Ja, ich muss darüber nachdenken«, wiederholte er geistesabwesend.
Bis zum Abend war die Entscheidung gefallen.
»Dossie, hol Shanahan. Ich muss mit ihm reden.«
Als Sean die Küche betrat, wusste er schon Bescheid und erwartete weitere Schelte, da er Jubal und dessen Frau zum Schiff gebracht und das Mädchen zurückgelassen hatte. Aber sie hatten es befohlen. Diesmal würde er sich nicht den schwarzen Peter zuschieben lassen. Die Stelle bei Flood erschien ihm mit jedem Tag verlockender.
Doch der Boss hatte nur neue Anweisungen für ihn.
»Ich möchte, dass du mich morgen früh zu Mrs. Harris fährst und danach in die Stadt. Dort suchst du das Mädchen, das für mich arbeiten wollte. Wie hieß sie doch gleich?«
»Marie Cullen, Sir.«
»Genau. Ich habe eine Stelle für sie. Ich nehme an, dir ist bekannt, dass meine Enkelin noch hier ist.«
»Ja, Sir.«
»Ich möchte, dass diese Marie ihre Zofe wird, verstanden?«
Natürlich, sie braucht eine Wärterin.
»Selbstverständlich, Sir. Und sie soll hier bei Ihnen wohnen?«
»Ja, zumindest die nächsten Tage.«
»Gut, Sir. Und da wir gerade über Arbeitskräfte sprechen – nun, da der arme Rufus tot und McLeod im Gefängnis ist und jetzt auch noch Forbes …«
»Mir ist die Situation bekannt, danke«, meinte Warboy knapp. »Das alles entzieht sich meiner Kontrolle. Und ich habe dich bereits verwarnt, Shanahan, also Vorsicht. Was dich angeht, bin ich mir noch nicht so sicher.«
Ich auch nicht. »Ich möchte nur einen Mann namens James Quinlan erwähnen, der Arbeit auf einer Farm sucht. Er ist ehrlich, etwa siebenundzwanzig Jahre alt, sehr muskulös.«
»Welches Verbrechen hat er begangen?«
Sean war überrascht. Der alte Herr wurde allmählich wählerisch, früher hatte er sich nie nach dem Hintergrund der Männer erkundigt.
Immerhin keine Vergewaltigung. »Ich weiß es nicht genau, Sir, es hatte wohl mit dem Diebstahl eines Esels zu tun.«
Warboy schüttelte seufzend den Kopf. »Schon gut, schon gut. Schreib mir den Namen auf, ich stelle die Anträge dann selbst.«
Sean verließ das Haus durch die Küche, nachdem er bei Dossie ein Stück Kuchen stibitzt hatte, und ging langsam zur Unterkunft. Ob die neuen Vorschriften noch galten? Der Boss hätte die Frage als unverschämt betrachtet, also mussten sie sich wohl noch eine Weile daran halten, was zu der allgemeinen Niedergeschlagenheit beitrug, die wie ein Leichentuch über der Farm hing.
Josie servierte den Morgentee im Wohnzimmer, einem hübschen Raum mit anschließender Terrasse, hinter der ein kleiner Obstgarten lag. Sie brachte frisch gebackene Apfelscheiben mit Zimt und Streusel, die er sehr lobte, worauf er dennoch vorschlug, eine Köchin oder Haushälterin als Hilfe einzustellen.
»Es kostet Sie nichts und würde Ihnen viel Zeit ersparen.«
Josie schüttelte den Kopf. »Nein, das könnte ich nicht ertragen. Ich habe mein Haus gern für mich allein. Außerdem habe ich mit den Männern schon genügend Probleme. Letztens hatte ich einen Burschen hier, der glaubte, er müsse gegen die Franzosen kämpfen, und mit einer Heugabel bewaffnet herumrannte. Ich musste ihn zurückschicken, zusammen mit einem Mann mit feinem Akzent, der sich nicht zur Arbeit auf der Farm herablassen wollte.«
»Ja, es ist eine Plage. Ich erinnere mich noch an meine ersten Sträflinge. Eigenartige Gestalten, völlig verwirrt.«
»Aber bei Ihnen läuft es doch, seit Shanahan Ordnung hält, oder?«
»Bis jetzt. Aber nun hat mich das Pech gleich dreimal getroffen. Erst war da der Junge, der sich erhängt hat …«
»Warum hat er das getan? Er war doch noch so jung«, sagte Josie
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