Insel der glühenden Sonne
erkannt. Doch Lester hatte sein Pulver noch nicht verschossen.
»He«, rief er lauter, »weißt du, dass dein Kumpel McLeod in Dunkelhaft sitzt?«
Treffer. Forbes erstarrte, geriet aus dem Tritt, fing sich wieder und marschierte weiter.
Lester wandte sich lachend ab.
Komische Sache, diese Arbeitstrupps, dachte Singer. Da konnte der Nebenmann vom Blitz getroffen werden, man ging einfach weiter, Schritt für Schritt, um den Tag lebend zu überstehen. So auch jetzt. Alle trotteten weiter, ihre Blasen, Schwielen, Splitterwunden, Schnitte und blauen Flecken waren nichts gegen die absolute Erschöpfung, die sie quälte.
Lesters Bemerkung hatte ihn nicht wirklich getroffen, da er seit Stunden mit einem verstauchten Knöchel herumlief und seinen letzten Shilling gegeben hätte, um endlich ausruhen zu können. Später war noch Zeit, um an Angus zu denken.
Wenigstens saß er jetzt in einer Einzelzelle und durfte an diesem Abend baden. Das würde dem Knöchel gut tun. Er malte sich die Schlange vor dem Bad aus, wo die Aufseher darauf achteten, dass sich keiner drückte. Gab es noch einen anderen Ort auf dieser Welt, an dem ein Mann ausgepeitscht wurde, nur weil er nicht baden wollte?
Die Männer, die zur Zwangsarbeit verurteilt waren, aßen fast wortlos und missbilligten den Lärm um sie herum. Nach dem Bad fühlte Singer sich ein wenig erfrischt. Da fiel ihm Angus wieder ein.
»Der magere Schotte mit dem roten Haar?«, fragte ein Aufseher. »Ja, der ist im Loch.«
»Wann kommt er raus?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Können Sie das für mich herausfinden?«
»Kostet aber.«
»Zur Hölle mit dir.« Für gute Führung bekamen die Sträflinge zwei Pence oder sechzig Gramm Tabak die Woche. Singer schätzte seinen Tabak zu sehr, um davon etwas abzugeben. Er würde es allein herausfinden.
Angus hatte wieder den Traum. Er war lebendig begraben. Mittlerweile schrie er nicht mehr, weil ihn ohnehin keiner hörte. Das wusste er jetzt. Alle waren weg, schon seit Wochen. Nur der Schmerz verriet ihm, dass er noch lebte. Er war vom Rücken in den Kiefer gewandert und unerträglich geworden. Aber er hielt ihn am Leben. Verging er, wäre das Ende nahe. Dann gäbe es nichts mehr. Nur das Schweigen des Friedhofs. Er fragte sich, wo der liegen mochte. Vermutlich irgendwo im Buschland am Rand von Hobart. Dann fiel ihm die Insel der Toten ein. Dort würde er enden, bei den Geistern. Bei Matt O’Neill.
Aber Matt O’Neill war tot. Wirklich tot. Er selbst war am Leben! In einem Sarg konnte man nicht umherlaufen. Er zwang sich, aus dem Traum zu erwachen.
Die Schweine hatten ihn vergessen. Er hämmerte an die Mauern, brüllte los, gab aber nach einer Weile auf. Es war sinnlos.
Wieder begann er auf der Stelle zu laufen.
Als sie ihn rausholten, war Angus still. Sie hatten gewonnen. Er würde sich an die Vorschriften halten müssen, sonst überlebte er nicht, und überleben musste er um jeden Preis. Herausfinden, wer Penn vergewaltigt hatte. Den Täter umbringen. Er begriff jetzt, dass Port Arthur sich vom Gefängnis in Hobart unterschied, wo man die Regeln großzügig auslegte und vieles vom Glück abhing. Glück hatte in Port Arthur keinen Platz.
Das Tageslicht traf ihn wie ein Schlag, doch die Aufseher waren darauf gefasst. Sie untersuchten ihn, und Angus ließ es nackt und beschämt über sich ergehen.
»Sein Rücken ist ganz wund«, sagte einer. »Und er hat Fieber. Was ist mit deinem Kiefer los, Kumpel? Hast dir selbst eine verpasst, was?«
»Nein«, murmelte er, »Zahnschmerzen.«
»Das erklärt auch das Fieber. Zieht ihn an und bringt ihn ins Krankenhaus. Aber vorher abspritzen, er stinkt.«
Draußen auf der Straße taumelte Angus kraftlos dahin, und der Aufseher half ihm munter wieder auf die Füße. Er hielt die Kette, die an Angus’ Knöchel befestigt war, kaute grinsend Tabak und schien alle Zeit der Welt zu haben. Angus genoss das Sonnenlicht, das ihm etwas Wärme und Kraft verlieh und ihm zeigte, dass er wieder unter den Lebenden weilte.
Sie kamen an der
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