Insel der glühenden Sonne
Familie befreundet.«
»Ich weiß.«
»Nun, ich habe Louise Harris letzte Nacht mitgebracht, und sie befindet sich noch bei ihrer Mutter im Krankenhaus, hat aber keine Unterkunft in der Stadt. Nach Hause kann sie auch nicht, solange der Messerstecher frei herumläuft.«
»Das arme Mädchen.«
»Ich wollte fragen, ob Sie und Ihre Frau sie wohl für ein paar Tage bei sich aufnehmen könnten. Nur solange die Mutter im Krankenhaus ist.«
»Selbstverständlich. Bringen Sie sie her?«
»Das geht nicht, ich muss zur Arbeit. Dürfte ich Sie bitten, Miss Harris abzuholen?«
»Kein Problem. Wie sind Sie eigentlich zu Pitcairn gekommen? Er ist ein bisschen radikal.«
»Tatsächlich? Da muss ich mich ja in Acht nehmen, Sam. Und vielen Dank für die Hilfe.«
Sean sprach mit Pitcairn nicht über den nächtlichen Zwischenfall, rechnete aber den ganzen Morgen damit, ein Polizist werde in die Kanzlei platzen und Fragen stellen. Irgendwann erklang dann ein schüchternes Klopfen an der Tür. Ein junger Wachtmeister überreichte ihm eine Nachricht von Polizeichef Hippisley, er möge sich nach der Arbeit auf der Wache einfinden.
Als Sean dort vorsprach, war Hippisley nicht gerade bester Laune und kam sofort zur Sache.
»Mrs. Harris berichtet, Sie hätten von einem bevorstehenden Angriff gewusst. Sie seien gekommen, um sie zu warnen! Shanahan, Sie werden mir jetzt sagen, woher Sie davon wussten, vorher verlassen Sie nicht die Wache!«
Sean änderte die Geschichte dahingehend ab, dass er und nicht Bailey die Gerüchte in einer Kneipe gehört hätte.
»In welcher?«
Er nannte das Whaler’s Return, das größte und unübersichtlichste Pub der Stadt, in dem sich die Seeleute nur so drängten.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie den Laden frequentieren.«
»Ich gehe manchmal hin, wenn ich am Hafen bin«, log Sean.
»Und warum gehen Sie überhaupt zum Hafen?«
Verdammt, jetzt drängte er ihn allmählich in die Ecke. Zögernd gestand Shanahan: »Ich halte Ausschau nach Schiffen, weil ich hoffe, dass mein Mädchen aus Irland herüberkommt.«
Hippisley lachte. »Und das soll ich Ihnen glauben?«
»Sie kommt mit ihrem kleinen Sohn Tom«, entgegnete er wütend. Es war unübersehbar, dass er die Wahrheit sprach.
Der Polizeichef wechselte zu Seans großer Erleichterung das Thema. Er war ein wenig verärgert über Josies Aussage, doch auch sie war zurzeit sicher nicht gut auf ihn zu sprechen.
»Nun, wen vermuten Sie dahinter?«
»Bull Harris. Entweder will sich jemand an ihm rächen oder er selbst will seine Frau tot sehen.«
»Wie bitte?«
Sean war selbst überrascht, dass er den Vorwurf so offen geäußert hatte.
Hippisley sprang darauf an.
»Warum sollte Harris sich an ihr rächen wollen? Betrügt sie ihn? Mit Ihnen vielleicht?«
»Nein!«
»Oder mit dem alten Warboy? Ich hörte, die beiden sind sehr gut befreundet.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Die arme Frau und ihre Tochter haben jahrelang völlig abgeschieden gelebt und versucht, die Farm irgendwie über Wasser zu halten. Sie sind sehr angesehen. Ich habe erst vor kurzem erfahren, dass Lester Harris ihr Ehemann ist.«
»Und nun will sie die Farm verkaufen?«
»Ja, aber er verweigert seine Zustimmung.«
Hippisley runzelte die Stirn. »Gut, das wär’s fürs Erste. Nein, Augenblick noch, sagen Sie mal, Sie arbeiten doch für Pitcairn.«
»Ja.«
»Will er Sie etwa für seine Antideportations-Kampagne rekrutieren?«
Sean wünschte, er könnte die Frage bejahen, doch der Anwalt hatte ihn nie darauf angesprochen. Sie unterhielten sich ohnehin selten über private Dinge und dann auch nur über das Wetter, das sich so angenehm vom irischen Klima unterschied. Pitcairn hoffte, Irland irgendwann einmal zu besuchen.
»Nein.«
Als Sean gegangen war, ließ Hippisley Wachtmeister Gander kommen.
»Ich habe mich mit Shanahan über den Angriff auf Mrs. Harris unterhalten.«
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