Insel der glühenden Sonne
hatte seinen Vorarbeiter mit einer wunderschönen kastanienbraunen zweijährigen Stute namens Tulip geschickt, die er Louise zum Geschenk machte.
Bis dahin hatte Louise für Leutnant Flood geschwärmt, der in seiner roten Uniform immer so schick aussah. Er hätte Louise und ihre Mutter gewiss gern eingeladen, wäre da nicht seine versnobte Frau Antonia gewesen. Wenn sie allein die Straße entlangging und Leutnant Flood vorbeigeritten kam, hatte er sie oft lächelnd gegrüßt. Ein kleines Geheimnis, denn wenn andere zugegen waren, bedachte er sie lediglich mit einem höflichen Nicken.
Aber Sean! Sie hatten zunächst nur ein paar Worte gewechselt, wenn er mit Arbeitstrupps unterwegs war, doch dann hatte er Louise und ihre Mutter an einem regnerischen Tag im Wagen mitgenommen und bis vor die Haustür gefahren, ihr beim Aussteigen geholfen und … Louise sonnte sich in der Erinnerung … er war so reizend gewesen.
Sie ritt gern auf Tulip bis zur Olinda Road hinaus und am malerischen Mill Stream zurück. An heißen Tagen ließ sie ihr Pferd dort trinken und entdeckte eines Tages Sean, der lesend unter einem Baum saß.
»Himmel, das ist aber eine Überraschung! Was machen Sie denn hier, Mr. Shanahan?«
Er stand auf. »Ich habe nur eine kleine Pause gemacht.«
»Und was lesen Sie da?«
»Nichts Besonderes. Ein Geografiebuch mit Abbildungen der Insel und des australischen Kontinents. Und wie benimmt sich Tulip?«
»Sie ist wunderbar. Scheut allerdings bei Schlangen.«
»Dem wird Ihre Regierung bald ein Ende bereiten«, sagte er, wobei sie ein zorniges Flackern in seinen Augen bemerkte. »Sie bietet eine Fangprämie für jede getötete Schlange.«
Louise hatte die Idee eigentlich begrüßt, doch da Sean sie zu missbilligen schien, schloss sie sich seiner Meinung an. »Ja, das ist grausam, ich kann den Gedanken gar nicht ertragen. Es heißt, sie seien alle gefährlich und müssten getötet werden. Aber es gibt doch auch gute Neuigkeiten, oder?«
Sie hoffte, er möge sie bitten abzusteigen, aber vergeblich. »Welche Neuigkeiten sollen das sein?«
»Ich gratuliere Ihnen. Mr. Warboy hat Sie doch zum Vorarbeiter ernannt.«
»Gratulationen sind nicht angebracht. Ich spiele nur eine Rolle. Sklaven werden nicht befördert.«
»Aber Sie sind doch kein Sklave, Mr. Shanahan.«
»Da irren Sie sich. Doch egal, sehen Sie nur, wie die Fische springen. Manchmal komme ich zum Angeln her. Natürlich nur mit Erlaubnis.«
»Und haben Sie die Erlaubnis, heute hier zu sein?«, fragte sie kokett.
Er lachte. »Sieht so aus.«
Louise fiel keine Ausrede ein, um noch länger zu verweilen, zudem war es unbequem, vom Pferderücken aus mit ihm zu plaudern.
»Ich werde Sie jetzt wieder Ihrem Buch überlassen.«
»Meine Lesezeit ist vorbei, aber ich habe sie gut genutzt.« Er lächelte, worauf Louise fast vom Pferd fiel.
»Auf Wiedersehen, Mr. Shanahan.« Sie drückte dem Tier die Fersen in die Flanken, aber zu heftig, sodass Tulip mit einem Satz davonschoss und Louise beinahe abwarf. Sie rutschte in ganz und gar uneleganter Weise im Sattel herum, das Gesicht brandrot, und gewann erst das Gleichgewicht wieder, als sie schon ein Stück entfernt war.
Sie sorgte dafür, dass sie einander wieder begegneten, und ritt so oft wie möglich den Pfad entlang. Häufig wurden ihre Bemühungen belohnt. Wenn sie Sean beim Angeln antraf, konnte sie absteigen und entweder seinen Fang begutachten oder ihn bedauern, weil die Fische nicht anbeißen wollten. Er sprach mit ihr über viele Dinge, vor allem über die Regierung und die Geschichte der Insel, und sie musste Interesse heucheln. Im Gegenzug stellte sie ihm persönliche Fragen, umschiffte aber höflich das Thema seiner Verbannung. Gewiss hatte er kein Verbrechen begangen, es musste sich um ein Missverständnis handeln. Dann erkundigte er sich, was zwei charmante englische Damen auf eine Farm so weit von zu Hause verschlagen habe.
Louise erklärte, ihr Vater sei leidend. Er habe nicht reisen können, als die Zeit zum Aufbruch gekommen sei, und sie seien schon vorgefahren, um sich um die Farm zu kümmern.
»Vater kommt nach, sobald er kann«,
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