Insel der glühenden Sonne
sie vorsichtig, bevor sie sie wegzog.
»Nun denn«, sagte sie knapp, wandte sich ab und verließ das Gewächshaus, worauf er ihr verblüfft, aber keineswegs unglücklich nachschaute. Seine liebe Penn hatte den ersten Schritt gemacht, höflich und diskret, wie es nur eine Lady konnte. Sie war nicht frivol, wollte ihn nur wissen lassen, dass sie einer Bekanntschaft nicht abgeneigt sei. Sein Herz hüpfte.
Billo brachte ihm ein Brötchen und ein Stück Speck. »An den Bäumen sind Äpfel, darf ich mir welche pflücken?«
»Nein, die sind noch nicht reif.« Angus biss in den weichen Speck.
»Apfel ist Apfel.«
»Von grünen Äpfeln bekommst du Bauchschmerzen«, sagte Angus, der vor seiner Ankunft auf der Farm noch nie einen Obstbaum zu Gesicht bekommen hatte.
»Ach.« Billo schwieg, was Angus, der in Gedanken noch im Land der Liebe weilte, sehr zu schätzen wusste.
»Kennst du Singers Witz von dem Schwarzen?«`
Angus schüttelte den Kopf.
»Pass auf. Ein Schwarzer namens Moses steht vor dem Richter, und der fragt ihn, was wohl passiert, wenn er lügt. Moses kennt seine Bibel und antwortet, dass er dann in die Hölle kommt. Also fragt der Richter, was passiert, wenn Moses die Wahrheit sagt. Moses nickt brav und sagt, dann komme ich ins Gefängnis.«
Als Angus grinste, jubelte Billo überrascht. »Sieh mal an, das erste Grinsen auf deinem sauren Gesicht. Dieser Singer ist ganz schön schlau. Hat was gelernt. War beim Boss wegen der Briefe, Dossie hatte ihm den Tipp gegeben, dass welche gekommen sind. Aber keiner für mich. Meine Ma kann nicht lesen und schreiben, weiß nicht mal, dass ich es jetzt lerne. Shanahan bringt es mir bei …«
Doch Angus war schon aufgesprungen, stopfte sich das restliche Stück Brötchen in den Mund und rannte den Hang hinunter zu den Unterkünften.
Er musste zwar bis zum folgenden Morgen auf seine Post warten, doch der Gedanke an Penn tröstete ihn darüber hinweg. Vor dem Einschlafen stellte er sich vor, ihr von sich selbst zu erzählen, von der Arbeit in der Gießerei, den Reden, mit denen er den Leuten die Augen öffnen wollte, und seiner Familie, die es sich nicht leisten konnte, ihn zu besuchen, bevor man ihn deportierte.
Es war wie in Singers Witz gewesen. Auch ihn hatte die Wahrheit ins Gefängnis gebracht, die Wahrheit über die Unterdrücker und Ausbeuter, die Leute wie ihn zerstörten. Er nickte düster.
Moses hatte Recht, wer die Wahrheit sagte, kam ins Gefängnis, das hatte er am eigenen Leib erfahren.
Am späten Vormittag brachte Shanahan ihm seinen Brief.
»Auf dem Umschlag sind so viele Adressen durchgestrichen, er scheint dir von Hobart über das Gefängnis und das Lager bis hier auf die Farm nachgereist zu sein.« Er klopfte Angus auf die Schulter. »Ich hab doch gesagt, irgendwann kriegst du auch Post!«
Angus eilte davon, weil er den lang ersehnten Moment allein erleben wollte, und setzte sich auf einen der neuen Kiefernholzsessel in der Rosenlaube. Der Zensor hatte das Siegel erbrochen, doch das war ihm egal. Er entfaltete den Brief und stellte fest, dass er bereits vor sechzehn Monaten von einem öffentlichen Schreiber aufgesetzt worden war. Angst durchzuckte ihn, seinen Eltern könnte etwas zugestoßen sein, aber nein …
An Angus McLeod,
Ihre Eltern haben mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass sie im Laufe der Jahre mehrere Briefe von Ihnen empfangen haben. Sie bitten Sie, davon künftig Abstand zu nehmen. Sie können Ihnen in keiner Weise helfen, und Sie wiederum erinnern sie nur daran, dass ihr Sohn in aller Öffentlichkeit für seine Verbrechen verurteilt wurde. Als Christen hegen sie zwar keinen Groll, bitten Sie aber, von weiteren Versuchen der Kontaktaufnahme abzusehen.
Entsetzt las Angus den Brief wieder und wieder. Er fürchtete, jemand könne ihn hier finden, in der Hand den beschämenden und schmerzhaften Brief. Er stopfte ihn in den Stiefel und rannte bis ans Ende des Besitzes, wo er am Bach niederkniete und sich das Gesicht mit Wasser kühlte, um die brennende Röte zu vertreiben. Dann zerriss er weinend den Brief und warf die Fetzen in den Bach.
Plötzlich fiel ihm ein, dass er Geburtstag hatte.
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