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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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dankbar war.
    »Wenn das so ist …« Ich lächelte ihn an, griff nach einer Zeitung, die auf der Theke lag, und steuerte den am weitesten von den Einheimischen entfernten Tisch an.
    Von den Fenstern im hinteren Teil des Lokals aus konnte man den gesamten Hafen überblicken. Während ich mich den Schlagzeilen widmete, stellte ich mir vor, wie es wohl sein musste, im Sommer hier zu sitzen und Eiskaffee zu schlürfen, während Fähren in das Hafenbecken tuckerten und bunte Segelboote träge vorbeiglitten. Das Bild, das vor meinem geistigen Auge entstand, war so lebendig, als hätte ich dieses Szenario tatsächlich schon einmal erlebt. Dieser Gedanke machte mich stutzig. Vielleicht war das ja wirklich der Fall? Ich fragte mich, wie lange es dieses Café wohl schon gab.
    Ich versuchte mich wieder in die Nachrichten der letzten Woche zu vertiefen (denn so alt war die Zeitung leider), konnte mich aber nicht richtig darauf konzentrieren, weil ich ständig darüber nachgrübeln musste, was ich bei meinem Treffen mit William Archer wohl erfahren würde.
    Das lokale Empfangskomitee schob die Stühle vom Tisch zurück und begann zur Tür hinauszuströmen. Während sich einige von ihnen von Jonah verabschiedeten, blieb eine Frau an meinem Tisch stehen und lächelte. Es sah aus, als würde sie die Zähne fletschen.
    »Es tut mir leid, dass wir Sie so angestarrt haben, als Sie hereingekommen sind«, entschuldigte sie sich. »Das muss furchtbar unangenehm für Sie gewesen sein. Es ist nur so, dass um diese Zeit nur selten Touristen hierherkommen und … nun, Sie kamen uns irgendwie so bekannt vor. Wir waren alle wie vor den Kopf geschlagen.«
    Ich nickte bloß, da ich nicht wusste, was ich hätte antworten können.
    Sie fuhr fort, wobei sie noch immer dieses sonderbar aggressive Lächeln zur Schau trug: »Ich fürchte, das war sehr unhöflich von uns.« Dann wartete sie darauf, dass ich etwas sagte.
    »Schon gut«, erwiderte ich lahm.
    Sie streckte mir eine Hand hin. »Ich bin Isabel Stroud.«
    Zögernd ergriff ich die mir dargebotene Hand. »Hallie James.« Dabei rang ich mir ein Lächeln ab.
    »Also, Hallie«, begann Isabel. »Was führt Sie denn gerade zur Zeit der Novemberstürme hierher?«
    Sie gehört zu genau den Leuten, vor denen mich Mr. Archer gewarnt hatte, dachte ich. »Ich bin geschäftlich hier, und ich werde so eine Woche bleiben, schätze ich.«
    »Wunderbar.« Sie lächelte immer noch. »Dann werden wir Sie ja sicher öfter sehen.«
    Daran hegte ich nicht den geringsten Zweifel. Mich beschlich das ungute Gefühl, dass sie und ihre Freunde mich genau im Auge behalten würden. Als die Tür endlich hinter ihr zufiel, kam es mir vor, als wehe ein frischer Luftzug durch den Raum.
    Jonah, der sich angelegentlich damit beschäftigt hatte, die Tische abzuwischen, sagte über seine Schulter hinweg: »Das da eben tut mir leid. Das ist der Fluch des Kleinstadtlebens, fürchte ich.«
    »Eines Insel kleinstadtlebens. Außerhalb der Saison.«
    »Na ja, jeder steckt mal seine Nase in die Angelegenheiten seiner Mitmenschen, nicht?«
    Komisch. Allein dadurch, dass er das sagte, löste er in mir den Wunsch aus, mich ihm anzuvertrauen.
    »Ich treffe mich gleich mit William Archer, dem Rechtsanwalt. Danach habe ich vermutlich auf der Insel noch die eine oder andere Angelegenheit zu regeln.«
    Jonah hielt mit dem Abwischen der Tische inne. »Wie schafft es Archer nur immer, die hübschesten Frauen zu ihm zu locken? Das begreif ich einfach nicht.«
    Mir stieg das Blut in die Wangen. Flirtete er etwa mit mir? Das hatte schon lange kein Mann mehr getan.
    Jonah schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und trat an meinen Tisch. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Ich war nicht sicher, ob mir das recht war, aber er hatte schon, ohne meine Antwort abzuwarten, mir gegenüber Platz genommen. Ich suchte verzweifelt nach einem unverfänglichen Gesprächsthema.
    »Ich nehme an, um diese Zeit ist hier kaum noch etwas los.«
    Er nickte. »Jetzt und den ganzen Winter lang nicht. Niemand ist gern auf dem See, wenn die Wellen bis zu sechs Meter hoch sind.«
    »Weicheier!«, versuchte ich zu scherzen und trank einen Schluck Kaffee. »Betreiben Sie dieses Café schon lange?«
    »Ich habe es vor zehn Jahren eröffnet«, erwiderte er. »Eigentlich hatte ich daran gedacht, die Insel zu verlassen und auf dem Festland Karriere zu machen. Aber dieser Ort hat was … für manche Leute jedenfalls. Er fesselt einen und lässt einen nicht mehr los.«
    Seine Worte

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