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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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selbst.
    »Gehen wir hier hinein.« William Archer deutete auf sein Büro.
    Ich verspürte den Drang, das Schweigen zu brechen, das zwischen uns im Raum hing – eine Angewohnheit von mir, die ich nur allzu gerne ablegen würde –, daher zog ich mich auf das unverfängliche Gebiet des Smalltalks zurück.
    »Sind Sie nun Archer oder der Sohn?«
    »Das hier war die Kanzlei meines Vaters«, erklärte er. »Nachdem ich mein Studium beendet hatte, habe ich einen Sommer lang bei ihm gearbeitet und bin dann hier hängen geblieben. Er ist seit einigen Jahren im Ruhestand, aber ich wollte das Schild über der Tür nicht ändern, auch wenn es jetzt nur noch einen Archer gibt.« Er ging um seinen Schreibtisch herum, setzte sich und bedeutete mir, gleichfalls Platz zu nehmen.
    Mir war klar, dass es nun an der Zeit war, auf den Grund unseres Treffens zu sprechen zu kommen. Ich faltete die Hände im Schoß und holte tief Luft. »Ich bin etwas nervös, wie Sie wahrscheinlich bemerkt haben.«
    Er nickte und sah mich mit aufrichtigem Mitgefühl an. »Solche Sachen gehen einem immer sehr an die Nieren, nicht?«
    »Wo fangen wir an?«
    »Ich schlage vor, dass ich Ihnen, ehe wir uns mit dem Testament befassen, erst einmal ein paar Hintergrundinformationen gebe.« Er zog eine Schreibtischschublade auf und entnahm ihr ein gerahmtes Foto. »Sie hielt sich immer lieber hinter der Kamera auf, daher weiß ich nicht, ob Sie je ein Foto von ihr aus jüngeren Tagen gesehen haben. Ich habe dieses hier aus ihrem Haus mitgebracht.«
    Madlyn Crane glich meiner Jackie-Kennedy-Fantasiemutter nicht im Geringsten. Aber eins war nicht zu leugnen: Es war nicht ganz genau mein Gesicht, das mir da entgegenblickte, aber doch fast.
    Sie hatte langes, welliges, kastanienbraunes Haar, genau wie ich. Ihre haselnussbraunen Augen, die meinen glichen, funkelten auf der Aufnahme mutwillig. Sie sah den Fotografen direkt an und lächelte dabei, als würde sie in die Augen eines Menschen schauen, den sie liebte. In einer Hand hielt sie eine Kamera, die andere stemmte sie in die Hüfte. Ein langer, bunter Schal wand sich um ihren Hals, ansonsten trug sie einen cremefarbenen Pullover, Shorts und lange Ohrringe, die bis zum Kinn reichten.
    »Sie sehen ihr ungemein ähnlich«, stellte William Archer fest. »Das fiel mir gleich auf, als Sie hereinkamen. Für mich besteht kein Zweifel mehr daran, dass die ganze Geschichte wahr ist. Sie sind Halcyon Crane.«
    Ich setzte zu einer Antwort an, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Zumindest erklärte das, warum mich alle hier so seltsam angesehen hatten: der Fährkapitän, Mira, die Leute im Café, sogar Jonah. Ich war das Ebenbild einer toten Frau. Das musste ich erst einmal verarbeiten.
    »Als ich Ihren Brief bekam, habe ich zuerst kein Wort davon geglaubt«, gestand ich, nachdem ich mich geräuspert hatte. »Ich war nicht bereit, alles, was mein Vater mir je über mein Leben erzählt hatte, aufgrund eines einzigen Briefes von einer Fremden zu verwerfen.«
    »Und was hat Sie schließlich vom Gegenteil überzeugt?«
    Ich berichtete ihm von dem Foto, das meine Mutter ihrem Brief beigelegt hatte, und dem Bild von mir, das ich auf ihrer Website gefunden hatte. Ich erzählte ihm auch, dass mein Vater vor seinem Tod unaufgefordert ihren Namen genannt hatte. Und jetzt, mit dieser Aufnahme vor Augen, ließ es sich endgültig nicht länger leugnen, dass ich die Tochter dieser Frau war.
    »Erzählen Sie mir von ihr«, bat ich leise.
    Während er sprach, saß ich regungslos da und wagte kaum zu atmen, als könnte ich mit einer einzigen Bewegung den Bann brechen, den er mit seinen Worten schuf.
    »Jeder auf der Insel kannte Madlyn Crane«, begann Mr. Archer. »Sie war unsere berühmteste Einwohnerin. Die Touristen kamen eigens in der Hoffnung hierher, einen Blick auf sie erhaschen zu können, obwohl sie sich wenig Zeit für ihre Fans nahm. Was den Reiz vermutlich noch erhöhte. Wenn sie nicht kreuz und quer durch die Weltgeschichte reiste, um Prominente abzulichten oder Tiere in der Wildnis und Landschaftsszenen aufzunehmen, war sie oft in ihrer Galerie in der Stadt zu finden«, fuhr er fort. »Sie stellte natürlich ihre eigenen Arbeiten aus, aber auch Werke anderer einheimischer Künstler: Maler, Juweliere, Töpfer. Ihre Anhänger waren entzückt, wenn sie sich gelegentlich dort als Verkäuferin betätigte.
    Tja, was kann ich sonst noch über sie erzählen? Sie fuhr gerne Kajak, ruderte gern und liebte ihre Hunde und Pferde.

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