Insel der schwarzen Perlen
keine Antwort für ihr Gefühl von Zerrissenheit zwischen den beiden Männern. Sie wusste nur, dass ihr Herz von keinem von beiden lassen konnte, zumindest noch nicht.
An den Wänden von Elisas Büro zeigten sich seit einer Weile kleine Risse. Das Haus der Königin musste renoviert werden, doch der Etat dafür wurde nie von ihr bewilligt. Die vornehme alte Dame hatte andere Sorgen, wie Elisa aus ihren Gesprächen wusste. Sie war eine gebrochene Frau, die zusehen musste, wie ihr Reich von Tag zu Tag mehr verfiel. Seit einiger Zeit waren es die Schulen. Hatten in den Zeiten des Königreichs von Hawaii alle lernwilligen Kinder Zugang zu Bildung gehabt, so konnten sich jetzt nur noch die Reicheren eine gute Schule für ihren Nachwuchs leisten. An immer mehr Fronten musste die Königin mit ihrem privaten Geld immer gröÃere Finanzlöcher stopfen.
Elisas Blick wanderte in die gegenüberliegende Ecke ihres Büros. Es war heiÃ, sie schwitzte in ihrem strengen europäischen Kleid, und der Deckenventilator schien sich noch langsamer als sonst über ihr zu drehen. Hatte sich dort nicht gerade etwas bewegt? Da sah sie ihn.
Ãber der Tür zum königlichen Garten saà der giftige HundertfüÃler, vor dem Liliâuokalani sie gewarnt hatte. Er war schon überall in ihrem Haus gewesen, selbst im königlichen Schlafzimmer. Elisa sah zu, wie das ekelhafte Wurmtier auf die schmiedeeiserne Gittertüre kroch, die das Haus jetzt gegen Einbrecher schützen musste, und ihr wurde kalt bis ins Mark. Sie hatte seit einigen Wochen ein Problem, das sie weder mit Amala noch mit Johannes besprechen konnte. Sie war deswegen extra alleine ein Wochenende in die Berge gefahren und hatte ihre alte Kahuna-Meisterin Hoku um Rat gefragt.
»Bitte, Hoku, du hast mir schon einmal geholfen, mir einen guten Rat gegeben und mir geholfen, meine erste Tochter auf die Welt zu bringen ⦠Was soll ich diesmal tun?«
Hoku war inzwischen eine sehr alte Frau, sie glich einer zerknitterten Trockenpflaume und war zart wie ein ins Wasser gefallenes Vögelchen. Ihre Augen waren glasig geworden, als sie ihre Hände auf Elisas schwellenden Unterleib legte.
»Der HundertfüÃler ist das Symbol für Verrat. Sein Gift ist ein göttliches Geschenk, eine Botschaft unserer alten Götter. Wir sollen aufhören, diesem Nichtsnutz Jesus zu folgen, der unserer Königin den Kopf verdreht hat ⦠und du solltest keine weiteren Kinder von haole-Männern bekommen, die deinen Wert nicht erkennen. Wenn du den HundertfüÃler siehst, dann ist die Zeit gekommen. Du nimmst diese Kräuter und schlieÃt dich an einem Ort ein, an dem du alleine sein kannst, für drei ganze Tage. Danach kommst du wieder zu mir ⦠dann reden wir von deinen anderen Kindern. Ich habe von Eli geträumt ⦠es ist Zeit für ihn ⦠er muss seinen Weg zu den aumakua bald beginnen. Er ist jetzt ein junger Mann â¦Â«
Elisa sah dem HundertfüÃler noch eine Weile zu, dann überlegte sie sich, wie sie sich ein Wochenende allein in Johannesâ Häuschen erschwindeln konnte. Es war schwer, wie so vieles hier am Washington Place. Die Wände hier hatten Augen und Ohren.
»Elisa! Können wir sprechen?«
Es war Keliis und Leilanis Mutter, mit ihren sechzig Jahren immer noch eine bemerkenswert schöne Alâi, doch jetzt hatte sie eine Zornesfalte auf der Stirn.
Sie setzte sich bereits auf den Lederstuhl, in dem normalerweise die Königin saÃ, wenn sie hier gemeinsam ihre neuen Manuskriptseiten durchgingen.
»Natürlich, gerne ⦠Ein Glas Wasser? Es ist heute sehr heiÃ. Hier, dann fällt das Sprechen leichter.«
Elisa schenkte zwei Gläser ein und reichte ihrem Gegenüber eines davon. Um die Anspannung ein wenig zu lockern, deutete Elisa auf den riesigen HundertfüÃler.
»Jetzt hat er auch mich besucht â¦Â«
Die strenge Hawaiianerin nahm Elisa kritisch ins Visier.
»Das Gift des Verrats ist hier überall ⦠in fast jeder Familie, zwischen Freunden und Geschäftspartnern. Wir werden von innen zerstört. Meine Tochter leidet, mein Sohn leidet, und meine Königin verzehrt sich vor Gram. Und was ist mit dir, Elisa, leidest du auch? Und leidet Johannes?«
Die Stille im Raum war von süÃlicher Klebrigkeit. Elisa wusste, dass ihr Geheimnis mit Johannes keins mehr war und dass die Frau, die sie ohnehin nie als
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