Insel der schwarzen Perlen
hatte.
Vielleicht lag die Veränderung in ihrem Gefühl für das Kind, das aus ihrer Lust entstanden war. Was sie nach ihrer Aussprache empfand, war Liebe zu Johannes, wenn auch eine andere Art. Dabei war ihre Abmachung klar: Lust und wortloses Verlangen sollten die Triebfedern ihrer Begegnungen unter vier Augen sein. Der Wunsch nach körperlicher Liebe war das perfekte Gegengewicht zu Elisas unstillbarer Sehnsucht nach dem Mann, der sie nicht mehr wollte.
Mit dem Kind von Johannes war es anders gekommen. Es hatte einen neuen Anfang gesetzt für ein mögliches Leben nach Kelii. Perfekt geformt und winzig klein lag der kleine Junge in den Tüchern, mit denen sie ihre Blutungen stillte. Er hatte ihr Herz berührt in seiner Stille, und sie hatte ihn viele Stunden lang bei sich behalten, ohne einer Menschenseele von ihrer Not zu erzählen. Erst als die Blutungen nicht aufhörten und sie dabei war, ihr Bewusstsein zu verlieren, rief sie um Hilfe, bevor sie ohnmächtig wurde. Als sie erwachte, war der Doktor bei ihr. Amala hatte ihn geholt. Sie war es auch, die ihn mit sich genommen hatte, ihren kleinen Schatz. Unter dem Baum im Garten hatte sie dem kleinen Jungen ein Ruhebett in der Erde geschenkt. Er hatte seinen lei aus weiÃen Blüten bekommen, der in dem tiefsten Zweig über dem Wurzelwerk hing, über der Stelle, die Elisa schon bald besuchen wollte.
In ihrem Unterleib spürte sie ein heftiges Ziehen und Zerren, als drängten innere Kräfte sie, zu dem Baum zu gehen, doch noch war sie zu schwach. Ihr Körper konnte keine erneute Blutung verkraften.
Sollte sie noch ein paar von den Tropfen nehmen? Dann würde sie einschlafen, vielleicht einen schönen Traum haben. Wenn sie das nächste Mal aufwachen würde, wäre es schon Abend, und Johannes würde sie abholen. Er wollte heute aus Kauai zurückkommen. Sie war mit Johannes und ein paar anderen Vertrauten bei Liliâuokalani zum Essen eingeladen. Zu gerne würde sie bei gepflegter Konversation und erbaulicher Musik am gedeckten Tisch edle Köstlichkeiten essen und ein Glas Wein trinken, doch der Doktor hatte ihr das Aufstehen verboten. Wenn nur nicht das schwarze Unglück über ihr an der Decke kauern und auf ihren Schlaf spekulieren würde. Jedes Mal, nachdem sie ein paar Stunden geschlafen hatte, war sie weinend aufgewacht, ihre Probleme schienen ihr unlösbar, und sie musste an Kelii, seine Frau und das gemeinsame Kind denken. Es lebte, wuchs und gedieh, selbst im Gefängnis, wie Emma und Gerd ihr berichtet hatten. Sie gingen jetzt einmal im Monat zusammen mit Keliis Mutter, um die junge Familie zu besuchen, und kamen stets fröhlich zurück. Besonders die elfjährige Emma war ganz verrückt nach ihrem Brüderchen.
Wieder kam der Schmerz, dieses Mal als dumpf hämmerndes Stechen. Wie ein Fötus krümmte sie sich auf dem Bett zusammen und zog das Laken ganz über sich, so als könnte sie ihrem seelischen Schmerz auf diese Weise den Zutritt verwehren.
Auch wenn es ihr Leben bestimmt komplizierter gemacht hätte, sie wollte dieses Kind, und auch Johannes wollte es. Seine Frau war inzwischen schwer krank, es bestand nur wenig Hoffnung auf Genesung.
»Elisa ⦠bist du wach?«
Amala brachte ihr eine Brühe, sah besorgt in ihre Augen, legte ihr neue Tücher für die Blutungen hin und sagte dann, als sei es das Normalste der Welt: »Er kommt heute nicht, das lässt er dir ausrichten. Er hat noch im Kontor zu tun, bedauert aber deinen Verlust ⦠pah!«
Ihre Stimme war voller Verachtung für ihn, aber dafür war sie umso zärtlicher mit Elisa.
»Ist gut, wenn er dich jetzt in Ruhe lässt, musst du nach altem Gesetz Abschied nehmen von deinem Kind ⦠War kein normales Kind, war ein Kahuna-Junge, gekommen, um dich zu warnen. Habe Nachricht von Hoku â¦Â«
Entweder die Tutu von Emma und Gerd, Keliis Mutter, oder aber Amala bekamen jetzt immer häufiger beunruhigende Nachrichten aus den Bergen. Was als sogenannte Ananasrebellion begonnen hatte, ein friedlicher Protest der Hawaiianer gegen die GroÃgrundbesitzer, die viele Bewohner mit skrupellosen Methoden zwangen, ihr Land zu verkaufen, drohte jeden Moment zu eskalieren.
Eli und Ulanis Brüder waren mit ihren sechzehn und siebzehn Jahren begeistert von den Rebellen, vor allem auch, weil drei der wichtigsten Eli familiär sehr nahestanden. Ursprünglich in die Aliâi-Familie
Weitere Kostenlose Bücher