Insel der schwarzen Perlen
blieben ihr noch lange Zeit in Erinnerung. Offiziell war das amerikanische Forschungsprojekt bereits im Jahr zuvor beendet worden, jedoch hatten der britische Doktor und der deutsche Professor es gemeinsam mit finanzieller Hilfe aus Europa fortgeführt. Sie pendelten seit Jahren zwischen dem Kalihi-Hospital und der Leprakolonie und hatten mithilfe von Mutter Marianne auch reiche Sponsoren aus Honolulu für ihre Forschung gewonnen. Doch mit dem Kriegsausbruch veränderte sich auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit der Ãrzte.
Oft, wenn Elisa an der Korrespondenz und den Berichten des deutschen Professors arbeitete, steckte der britische Doktor seinen Kopf zur Tür rein. Einen Wettbewerb hatte es schon immer zwischen den Forschern gegeben, jetzt nannte man es Spionage. Ein baldiges Ende der europäischen medizinischen Mühen, die ohnehin nie wirklich gefruchtet hatten, war abzusehen. Aber wie würde es dann weitergehen?
»Sieh mal, so einen habe ich hier noch nie gesehen â¦Â«
Zu viert saÃen sie im Licht des Sommermondes an den Felsen. Elisa sah einen sehr ungewöhnlichen HundertfüÃer.
Kelii, der mit Makaio Treibholz für ihr rituelles Reinigungsfeuer gesammelt hatte, war ebenfalls verwundert.
»Er ist silbern, sogar fast weià â¦Â«
»Er leuchtet richtig. Oder reflektiert die Schuppenhaut nur das Mondlicht? Jedenfalls ist er sehr ungewöhnlich â¦Â«
Keiner von ihnen hatte bisher auf der Insel Molokai HundertfüÃer entdeckt. Sie folgten seinen vielen Beinen und kamen an einen Felsspalt. Dahinter verschwand das Wurmtier.
Kurz darauf saÃen sie zu viert am Feuer. Wie aus dem Nichts sagte Kelii das Wort kanapi, HundertfüÃer, immer und immer wieder in allen möglichen Klangschattierungen. Er erinnerte sich, letzte Nacht geträumt zu haben, er würde einen essen und dadurch geheilt werden.
Nalani und Elisa sahen sich an und hatten gleichzeitig nur einen einzigen Gedanken. Was wäre, wenn das Gift des Wurmtiers ihre Krankheit besiegen könnte?
Am nächsten Tag gingen sie zu dem Felsspalt. Mit Stöcken und Behältern bewaffnet begannen sie, die Felsen dahinter zur Seite zu rollen. Tatsächlich, hinter einem von ihnen entdeckten sie nicht nur einen, sondern über zwanzig der ekelhaften Tiere, alle in schillerndem Mondsilber, ein vibrierendes Knäuel aus Beinen und Gift.
Mit einem Kampfschrei schlug Kelii mit seinem Stock zu, wieder und wieder, bis auch die anderen zuschlugen. Kein Tier konnte entkommen. Was übrig blieb, war ein Brei aus Wurm, FüÃen und einem Gift, das sie alle fürchteten, weil es ein Fieber auslöste, das bisweilen tödlich sein konnte.
Es würde ein weiteres Jahr dauern, bis Elisa die Medizin, die sie aus den Kanapi kochten, mit den weiteren Zutaten vermischen konnte, die Hoku in ihren Träumen sah. Einmal war es die Tausend-Nebel-Pflanze, für die Eli extra nach Kauai fahren musste. Dann war es awapuhi, der wilde Ingwer, er musste aus den Bergen von Maui kommen. Eine letzte Zutat war ebenfalls sehr schwer zu bekommen. Wieder war Eli derjenige, der es auf sich nahm. Sie brauchten das Blut eines Hais aus dem Riff an der Na-Pali-Küste, an dem die aumakua ihres Klans lebten.
An dem Tag, an dem Eli seinem Vater mit stolzgeschwellter Brust mit dem Mai-Pake-Boot das Haiblut brachte, kreiste der Iwa mit seinen schwarzen Schwingen niedrig über der Küste, so als würde er Ausschau halten. Es war der Winter des dritten Kriegsjahres. Die Einwohner Kalaupapas waren besorgt, denn das schwarze Boot hatte schon länger keine Vorräte mehr gebracht. Drei Wochen waren seit der letzten Lieferung vergangen, und Eli konnte nicht versprechen, die Ãberfahrt in Zukunft öfter zu wagen, denn seit dem Jahr 1914 hatte es immer wieder Kämpfe und Drohgebärden vor der Hafeneinfahrt in Honolulu gegeben.
Eine Zeit lang hatte das japanische Kampfschiff Nizen deutsche Frachtschiffe bedroht, die auslaufen wollten, doch auch andere Scharmützel waren an der Tagesordnung.
Vor allem die deutschen Schiffe wurden inzwischen von Briten, Amerikanern, aber vor allem von der japanischen Flotte über den gesamten Pazifikraum gejagt. Frachtschiffe der deutschen Reederei, mit der Johannes in Hamburg zusammenarbeitete, lagen seit Monaten im Hafen von Honolulu fest, denn es war zu gefährlich auszulaufen. Die Situation war so angespannt, dass schon mehr als ein harmloser Fischkutter aus
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