Insel der schwarzen Perlen
Bestes tun, um ihm ein gutes Leben zu ermöglichen.
Wie Okelani, Amalas verschwundene Nichte, die angeblich an der Hansenschen Krankheit litt, war Ulani von besonderem Reiz. Sie würde zu einer Schönheit heranwachsen, das ahnte man jetzt schon. Mädchen wie sie erzielten einen guten Preis, ein weiterer Grund, warum Männer wie Bad Bob und sein Vater oder auch Piet van Ween ein besonderes Interesse an ihr haben könnten, vor allem wenn sie nicht krank war. Elisa wusste von mehr als einem Fall, in dem junge Mädchen auf Kauai verkauft worden waren.
»Denk an das Rote Haus ⦠Du und ich wissen, was mit schutzlosen Mädchen geschieht, wenn sie diesen bestechlichen Polizisten in die Hände fallen â¦Â«
Amala nickte. Wegen Okelani hatten Elisa und sie in den vergangenen Wochen öfter über das Rote Haus am Hafen von Lihue gesprochen. Dort wurden vor allem schutzlose Mädchen aus den hawaiischen Bergen als käufliche Liebesdienerinnen gefangen gehalten, meist Waisen. Die Mädchen kamen aus den Dörfern in die Stadt, um dort einfache Arbeit zu finden, wenn sie von der Dorfgemeinschaft nicht versorgt wurden. Selten waren es auch von armen Eltern verkaufte Mädchen, die vermietet wurden. Doch hatte es sich inzwischen herumgesprochen, dass fast nie ein Mädchen zurück in sein Dorf kam.
»Pele schütze meine kleine Okelani ⦠Sollte sie wirklich die böse Krankheit haben, werden die Männer sie nicht schänden â¦Â«
Amala sah zu Boden, und Elisa ahnte, was in diesem Moment in ihr vorging. Was den Mädchen im Roten Haus am Hafen von Lihue angetan wurde, war selbst für Elisa unaussprechlich. Einen der kleinen toten Körper, der im Hafen angeschwemmt wurde, hatte sie auf eigenen Wunsch begraben. Einer weiÃen Hibiskusblüte gleich war das Kindergesicht in einem letzten verzweifelten Gebet dem Himmel zugewandt. Der Körper war ausgemergelt und geschändet, doch er hatte bereits ein neues Leben in sich getragen. Das Mädchen war schwanger, als es sich aus dem obersten Geschoss des Roten Hauses gestürzt hatte. Kaum fünfzehn Jahre alt mochte es gewesen sein, ohne Namen oder eine einzige Freundin war es am Rand des Friedhofs vergraben worden. Elisa und Kelii waren sein Geleit, weil Elisa es nicht über sich brachte, das Kind allein zu lassen. Wütende Gebete hatte sie gesprochen und sich geschworen, eines Tages etwas gegen diese Verbrecher zu tun, die skrupellos Kinderseelen zerstörten.
Ganz so als könnte Amala ihre Gedanken lesen, deutete sie auf die Kinder, die immer noch eng beieinandersaÃen und sich leise unterhielten.
»Ihre Brüder werden eines Tages auf Ulani aufpassen â¦Â«
Elisa nickte stumm. Es war rührend mit anzusehen, wie Ulani versuchte, mit Eli und den zwei Jungs zu scherzen, obwohl sie immer noch schwach und fiebrig war.
Elisa sah zu Bad Bob und seinen Vater hinüber, die gerade erneut ihre Köpfe zusammensteckten.
»Meinst du, es stimmt, dass unsere Polizei aus Hanalei den chinesischen Besitzer des Roten Hauses ebenfalls mit Mädchen beliefert?«
Amala zuckte mit den Schultern, machte aber mit ihren Fingern das Zeichen für Geld.
»Weià man es genau? Für hübsche Mädchen gibt es schon lange eine gute Kopfprämie. Seit den Untersuchungen wegen der Seuchen kommen die Polizisten auch in entlegene Dörfer. Manchmal fehlt ein Mädchen oder zwei â¦Â«
»Eines Tages werde ich damit Schluss machen!«
Elisa legte ihren Arm um Amala.
»Du hast Angst, Okelani wurde entführt und an das Rote Haus verkauft, nicht wahr? Aber diese beiden waren es wohl nicht, und auch Piet van Ween hat hier nach ihr gesucht. Vielleicht war sie wirklich noch auf der Plantage, nachdem sie aus unserem Dorf weggelaufen ist â¦Â«
»Okelani ist aber nicht weggelaufen, nicht vor mir ⦠Sie hatte ein wundervolles Leben vor sich. Allein ihre Stimme â¦Â«
Elisa nickte. Nicht nur war die siebzehnjährige Okelani eine typisch hawaiische Schönheit, für die man sicher einen hohen Preis bei dem Chinesen erzielen konnte, sondern sie hatte auch noch Talent und war klug.
»Man hat sie entführt ⦠und wer weiÃ, ob sie heute noch lebt. Aber wenn sie im Roten Haus ist ⦠wenn sie dort ist!«
Leider genügte ein Verdacht nicht. Um gegen das Rote Haus vorzugehen oder sich gar den Eintritt zu erzwingen, musste man gute Beziehungen zum Gouverneur haben.
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