Insel der schwarzen Perlen
hilflos ohne die Erkenntnisse von Louis Pasteur. Doch ich habe von den Kahuna viele neue Pflanzen kennengelernt, die zu Heilzwecken eingesetzt werden. Manche von ihnen zeigen erstaunliche Wirkung ⦠Und vielleicht, nun, vielleicht könnten Sie und ich in Zukunft zusammen ⦠forschen?«
»Sie haben doch bisher nur sehr wenig von meiner Heilkunst gehalten. Haben Sie das vergessen? Als ich Ihre Mutter damals behandelte ⦠Ihre Worte! Das war sehr verletzend.«
Elisa nickte. Damals hatte sie sich in ihrem jugendlichen Hochmut dem Doktor gegenüber wenig diplomatisch verhalten. Das war unklug. Er sah sie prüfend an.
»Sie meinen vielleicht, ich wusste damals nichts über diese Tausend-Nebel-Pflanze, die Sie Ihrer Frau Mutter immer wieder hinter meinem Rücken verabreichten, nicht wahr? Doch ich wusste alles. Clementia hat sich mir stets offen anvertraut. Sie war sehr, sehr bestürzt über Ihren Verdacht. Wie kamen Sie darauf, ich wollte Ihre Mutter mit Opiaten vergiften? Was war damals los, Elisa? War Luzifer persönlich in Sie gefahren?«
Damit hatte Elisa nicht gerechnet, und die Art, wie der alte Doktor sie jetzt mit seinen starren Pupillen fixierte, machte ihr Angst. Hätte sie damals auch nur vermutet, ihre Mutter würde derartig offen mit dem britischen Doktor reden, hätte sie ihr niemals von der verbotenen Pflanze erzählt.
Doktor Wellington nahm Elisas Hand in seine, er wirkte aufrichtig betrübt, doch Elisa spürte noch etwas anderes. Sie traute ihm nicht. So wie schon vor Jahren, als er sie behandelt hatte, war ihr seine Berührung unangenehm, doch sie wagte es nicht, ihre Hand wegzuziehen. Sie brauchte ihn als Verbündeten. Kalt und klamm fühlte sich seine Hand auf ihrer an.
»Liebes Kind, wie konnten Sie damals nur so etwas von mir denken? Ich habe Ihr Leben gerettet ⦠und auch Ihr Bein. Aus Angst, Sie würden an dem Wundfieber sterben, verlangte Ihre Mutter schon am Tag nach dem Haiangriff die Amputation. Wissen Sie, wie sehr ich gekämpft habe? Hätte ich auf Ihre Mutter gehört, würden Sie heute nicht guter Hoffnung sein. Sie hätten wahrscheinlich auch keinen Mann, der Sie lieben würde ⦠Hier auf den Inseln haben Krüppel keinen Wert.«
Wieder etwas, das Elisa nicht gewusst hatte. Ein weiterer Puzzlestein. Vielleicht war der Doktor wirklich nie ihr Feind gewesen, vielleicht hatte sie es sich damals nur einreden wollen, um das Verhalten ihrer Mutter nicht hinterfragen zu müssen. Immer noch lag seine Hand auf ihrer, und sie gab sich trotz ihrer körperlichen Abneigung einen Ruck.
»Sie haben vollkommen recht, lieber Herr Doktor! Ich war in meiner Jugend unerfahren und hochmütig ⦠Bitte verzeihen Sie mir!«
Elisa versuchte ein Lächeln und deutete auf ihren Bauch.
»Ein paar Jahre später und vor allem als Mutter sieht man vieles anders. Sie waren ein guter Arzt für mich und für meine Mutter, als wir auf die Inseln kamen â¦Â«
Auf seine Bitte hin folgte Elisa dem Doktor zu der groÃen Koa-Akazie, die auf dem Dorfplatz Schatten spendete. Elisa entdeckte Kelii. Er stand halb hinter der Versammlungshütte verborgen und machte ihr ein Zeichen. Er wollte nicht bemerkt werden. Es vermittelte Elisa ein gutes Gefühl, ihren Liebsten in der Nähe zu wissen. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, setzte sie sich mit dem Doktor auf die schattige Rundbank nieder. Er hatte begonnen, sich mit seinem Taschentuch den Schweià von der Stirn zu wischen, und atmete wegen der hohen Luftfeuchtigkeit schwer. Nach jedem Wort musste er erneut Atem holen.
»Ich möchte ⦠mit Ihnen ⦠über Ihre Mutter sprechen ⦠und vor allem auch über Ihre Tochter ⦠Victoria!«
»Heute ist nicht der richtige Tag dafür, Herr Doktor â¦Â«
Elisa wollte schon wieder aufstehen, doch er bat sie zu bleiben. Elisa schwieg. Sie war nicht sicher, ob sie hören wollte, was er zu sagen hatte. Immerhin hatte sie sich ein neues Leben aufgebaut, ein Leben in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten, deren Zusammenhalt sie sehr schätzte. Unter diesem Baum saÃen in der heiÃen Mittagssonne sonst die Tutus im Schatten des Baumes, um die Kinder beim Spielen zu beaufsichtigen.
»Ma ⦠Wo bist du?«
Ihr Sohn rief sie. Elisa sah Eli aus der Richtung von Ulanis Hütte kommen, rief ihn zu sich und liebkoste ihn, wie sie es immer tat.
»Lieber Herr Doktor, ich habe
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