Insel der schwarzen Perlen
nicht nur Victoria, ich habe mehrere Kinder ⦠das hier ist Eli, unser ganzer Stolz!«
Liebevoll strich sie dem Jungen das wilde Haar aus der Stirn.
»Er ist ein aufmerksamer, kluger Junge. Kelii und ich fühlen uns reich gesegnet ⦠nicht wahr, Eli, du bist unser GroÃer?«
Doktor Wellington versuchte einen wohlwollenden Blick auf den Jungen zu werfen, aber es gelang ihm nicht wirklich.
»Ich verstehe Sie, vielleicht besser als Sie denken, Elisa. In Ihrem Herzen sind Sie wie Ihre Frau Mutter, eine wirklich wahre Christin. Sie sind bereit zu jedem Opfer. Sie handeln, zumindest was Ihren Adoptivsohn betrifft, nach dem Prinzip der Nächstenliebe ⦠Jesus, das Neue Testament. Das ehrt Sie. Doch es ändert nichts an den Tatsachen! Sie gehören nicht zu ihnen, die gehören hierher. Auch wenn ich sehe, dieser Klan hier sieht in Ihnen etwas, eine Art Gabe, vielleicht sogar eine Zugehörigkeit zu ihrem aumakua, ihrem Schutzgeist, so ist das doch lediglich ein heidnischer Aberglaube! Sie haben aber einen Verstand, Elisa! Sie sind gebildet! Ihrer Mutter war sofort klar, warum der Hai Sie so schnell angegriffen hat ⦠Der Hai hat damals Ihr Blut gewittert!«
Er machte eine bedeutungsvolle Pause, dann fuhr er fort: »Wir alle geben zu, es grenzt an ein Wunder, dass Sie den Angriff überlebten ⦠und wir alle sind darüber sehr froh, vor allem auch Ihre Mutter.« Elisa sah ihn unsicher von der Seite an, wusste nicht wirklich, worauf er hinauswollte.
»Ja, mein Ãberleben war wohl ein Wunder, selbst mein Kelii sagt das. Obwohl seine Familie seit Urzeiten zum mano-Klan gehört und er seit seiner Kindheit viel Zeit am Riff der Haie verbrachte, hatte er nicht damit gerechnet, dass GroÃvater Hai mich loslassen würde.« Dann, nach einer weiteren Pause: »Glauben Sie an Vorhersehung, Herr Doktor? An so etwas wie die göttliche Fügung einer höheren Macht?«
Er schwieg und schaute zu Boden. Auch Elisa sagte eine Weile nichts, ihr Blick verlor sich in dem beginnenden Sonnenuntergang über den Wipfeln der Bäume. Nicht weit von ihr wartete Kelii im Versammlungshaus darauf, dass der Doktor und die weiÃen Männer endlich ihr Dorf verlieÃen. Das war es, was Elisa wollte. Der Doktor sollte gehen. Doch er fuhr mit feinem Räuspern fort.
»Kein wahrhaftiger Christenmensch kann auf Dauer zwischen zwei Welten leben, die so unterschiedlich sind. Das Heidentum hier muss in diesen Seelen erst noch gänzlich besiegt werden. Sie sind eine Deutsche, Elisa, noch dazu aus gutem Hause, und Sie teilen Tisch und Bett mit einem Wilden â¦Â«
Er verstummte. Elisa sagte immer noch nichts, doch in ihrem Inneren kochte es. Jedes seiner Worte drückte aus, was sie befürchtet hatte. Sie war nichts weiter als Dreck, und letztendlich war das wohl auch der Grund, warum ihre Mutter ihr seit dem Hibiskus-Ball nicht einmal eine kurze Notiz geschrieben hatte.
Elisa wollte dem Doktor nicht zeigen, dass ihr Tränen der Wut und Scham in die Augen stiegen. Lieber richtete sie ihren Blick auf Eli, der zu ihren FüÃen hockte. Mit seinem Stock malte er Strichmännchen in die feine dunkle Erde. Vater, Mutter und Kind. Mutter hatte einen enormen Bauch.
Elisa musste wider Willen lächeln. Eli hatte die Gabe, sie immer dann zu trösten, wenn sie es brauchte. Ihr Herz erfüllte ein Gefühl der Dankbarkeit. Sie hielt dem Doktor zum Abschied ihre Hand hin: »Sie sollten sich an den Abstieg machen ⦠es wird schnell dunkel«
»Bitte, Fräulein Vogel, denken Sie an Ihre Gesundheit! Kehren Sie zurück zu Ihrer Familie. Hier hat eine Frau wie Sie auf Dauer kein Leben. Erst letzte Woche, als ich mit dem Gouverneur sprach ⦠Ich bin mir fast sicher, Gerit Janson würde Sie bei sich aufnehmen, um Ihrer gemeinsamen Tochter willen ⦠Er wartet nur auf ein Zeichen von Ihnen!«
Damit hatte Elisa nicht gerechnet, und sie fragte sich bang, was als Nächstes kommen würde.
»Was in der Nacht in der Höhle geschah ⦠Der Gouverneur hat es mir zumindest in Bruchstücken anvertraut. Glauben Sie mir, Kind, es fiel ihm äuÃerst schwer! Er hat seinen Irrtum bitterlich bereut! Jedes Mal, wenn er die gemeinsame Tochter ansieht, empfindet er Reue, das muss so sein ⦠Sie sind und bleiben doch Victorias Mutter, Elisa! Daher müsste es eigentlich auch einen Weg zur Vergebung geben, meinen Sie nicht?«
Elisa zwang sich zu
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