Insel der schwarzen Perlen
einem letzten Lächeln.
»Ich weiÃ, wie gut Sie es meinen, lieber Herr Doktor, aber ich werde hier gebraucht ⦠hier ist mein Leben und meine Familie. Bitte gehen Sie jetzt.«
Der Doktor stand auf. »Wie Sie wünschen, Fräulein Vogel. Mit dem Ende der Monarchie sind harte Zeiten angebrochen. Es gibt kein Königshaus mehr, das Sie beschützen kann â¦Â«
Elisa wusste, der Doktor hatte recht. Die Amerikaner hatten im Lauf ihrer kurzen Geschichte auf den hawaiischen Inseln zwar viel versprochen, aber wenig davon gehalten. Den Amerikanern ging es in erster Linie um Profit, und die deutschen Einwanderer taten es ihnen nach.
Seine Stimme klang jetzt traurig.
»Dieses Volk wird in naher Zukunft alles verlieren, was ihre Kultur einmal ausmachte. Hören Sie also auf, von einer glücklichen Familie zu träumen! Der Untergang und die Vernichtung der Hawaiianer haben längst begonnen. Vorherrschaft am weltweiten Zuckermarkt ist der treibende Motor für Amerika und inzwischen auch für uns Europäer. Es geht um viel Geld. Wer sich nicht anpasst, hat bereits verloren.«
Elisa sah hinauf in das Geäst zu dem krächzenden Pärchen Alalas, die sich in einer Astgabel über ihr niedergelassen hatten, um dort ihr Nest zu bauen. Eine Veränderung stand bevor. Elisa konnte es ebenfalls spüren. Doch waren auch ihre Familie und ihr Dorf in Gefahr?
Doktor Wellington fuhr fort, vergewisserte sich aber, ob niemand in der Nähe war.
»Die Missionary Boys besitzen inzwischen sehr viel Macht. Auch Ihr Onkel gehört dazu, der Gouverneur natürlich, aber ebenso Männer wie Piet van Ween. Solche Männer haben sicherlich ganz besondere Aufgaben â¦Â«
Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern.
»Haben Sie sich nie gefragt, wie Keliis Vater wirklich zu Tode kam?«
Elisa spürte, wie sie erstarrte.
»Es war ein Unfall!«
»So kann man es nennen ⦠Auf der Plantage Ihres Onkels kam er unter die Räder â¦Â«
Er vermied Elisas Blick, doch sie erriet es auch so.
»Es war Mord?«
Der Doktor nickte.
»Piet saà auf dem Kutschbock. Haben Sie jemals erlebt, dass Piet van Ween ein Gespann durchgegangen ist?«
Aus Elisa wich alles Leben. Ein Abgrund tat sich auf. Das durfte einfach nicht wahr sein.
»Piet erhält von den Missionary Boys Aufträge â¦Â«
Elisas Gedanken rasten. Man hatte Keliis Vater umgebracht, weil er geliebt wurde und charismatisch war, aber auch, weil er sich immer für seine Leute eingesetzt hatte. Der Doktor nickte. »Er war unbequem, wollte Dinge erzwingen, die sich nicht erzwingen lassen ⦠Bitte werden Sie schnell vernünftig, Fräulein Vogel!«
»Sie meinen â¦Â«
»Wenn ich Ihnen als alter Freund der Familie einen Rat geben darf, kehren Sie ins Haus Ihres Onkels zurück â nachdem Sie Ihr Kind geboren haben! Und reden Sie nie wieder von einer christlichen Hochzeit mit einem kanaka. Werfen Sie sich vor Ihrem Onkel auf die Knie! Bitten Sie ihn um Verzeihung, und kümmern Sie sich um Ihre Tochter Victoria.«
»Das ist nicht Ihr Ernst!«
Der Doktor sah über sie hinweg in die Ferne, als könnte die warme Abendsonne ihm Trost und Zuversicht schenken.
»Sie haben in ein Wespennest gestochen. Der Gouverneur sieht in Ihrem Verhalten bestenfalls geistige Verwirrung. Ich unterstütze diese Einschätzung ⦠Mir bleibt keine Wahl.«
Das Gesicht des Doktors war hart geworden.
»Wenn Sie wollen, kann ich auch bei Ihrem Onkel ein gutes Wort für Sie einlegen, damit man Sie wieder in Ihrer Familie aufnimmt. Mehr kann ich nicht tun. Sie müssen letztendlich selber wissen, wie viel Unglück Sie dem Dorf zumuten wollen ⦠und wie viele Opfer Ihr Gewissen verträgt â¦Â«
Eine eisige Kälte drang in Elisa ein, als sie begann, das Ausmaà seiner Worte in der Tiefe zu begreifen.
Was der Doktor über den Tod von Keliis Vater gesagt hatte, war grauenhaft. Sollte sie es wagen, nach Amalas Nichte Okelani zu fragen? Stimmte die Geschichte mit ihrem Liebhaber und der Mai-Pake-Krankheit, oder hatte Piet das Mädchen ebenfalls ermordet?
Das penetrante Krächzen des balzenden AlalaâPärchens über ihr im Geäst hielt sie von weiteren Fragen ab. Es klang wie eine Warnung. Aus einem plötzlichen Impuls heraus legte Elisa schützend ihre Hand über ihr Baby.
»Sollte ich zu meiner Familie zurückkehren, was
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