Insel der schwarzen Perlen
ist hier der Chef, und wer keines hat, der bleibt bei uns ewig ein Sklave, ein kanaka. Du hast einen Feind. Du hast das Land, das der Haifischmann will. Und du hast seine Pläne schon einmal durchkreuzt. Nimm dich in Acht.«
Immer wieder sprachen sie über Majas Stück Land, um das sich über ein Jahrhundert lang viele in der Familie gestritten und auch entzweit hatten, doch nie hatte jemand es geschafft, sich hier ein Haus zu bauen, obwohl das Land wie geschaffen dafür war.
»Du hast dieses Paradies geerbt, Maja. Und du weiÃt nicht warum. Jetzt baust du dir hier mit Keanu euer Haus. Und ihr bekommt einen Sohn. Vielleicht heilt das die alte Wunde ⦠Aber vielleicht passte gerade das dem Haifischmann nicht. Er ist und bleibt ohana, Familie. Er ist ein Abkömmling von Elisa Vogels weiÃer Tochter â¦Â« Mai bekreuzigte sich.
»Der Haifischmann trägt den Geist der dunklen Vergangenheit.«
Sabji reichte Maja das zweite Geschenk. Sie hatte, wie Mai erklärte, seit mehreren Wochen daran gearbeitet. Es war ein handgearbeitetes Kissen. Maja sah sich gerührt die feine Applikationsarbeit an. In der Mitte des weiÃen Untergrunds prangte ein Wilder Ingwer. In den vier Ecken schwammen kleine Haifische, insgesamt acht. Mai kicherte.
»Meine Schwester wünscht dir viele Geschwister für deinen ersten Sohn â¦Â«
Inzwischen kicherte Mai mit Sabji um die Wette.
»⦠bei der Liebe viel Freude mit deinem Mann!«
Während Sabji das Kissen auf dem Sofa drapierte, stellte Mai die awapuhi-Pflanze mit der lila Blüte, die wie eine kleine Artischocke aussah, mitten auf den Tisch. Beide taten so, als bemerkten sie nicht, wie Maja mit einem Mal mit aufsteigenden Tränen kämpfte und sich ausgiebig schnäuzte.
Warum musste sie in letzter Zeit immer weinen, wenn jemand freundlich zu ihr war oder ihr das Gefühl von Zugehörigkeit gab? War es das Baby, das sie so lächerlich sensibel machte? Oder das Loch in ihrem Inneren, dieses Gefühl von Einsamkeit, das sie seit ihrer Kindheit quälte, wenn ihr Vater nicht in der Nähe war. War sie eine »leere Haut«, wie Mai es nannte?
»Gehen wir schwimmen!« Mais Stimme riss Maja aus ihren Gedanken, und schon wurde sie von den Schwestern untergehakt.
»Wir besuchen Moana, den mächtigen Ozean. Dein Sohn muss aumakua vorgestellt werden. Ihr beide braucht jetzt einen Schutzgeist ⦠Du musst viel lachen, Wilder Ingwer, lachen ist gut für dich und für deinen Sohn!«
Mai zwang sie, ihr in die Augen zu sehen. Maja war gut einen Kopf gröÃer als die runde Hawaiianerin in dem gemusterten Strandkleid. Aber sie fühlte sich eher wie ein verlassenes kleines Mädchen. Mai strich ihr zärtlich über die Wange.
»Alles wird gut. Deine Mutter in Deutschland weiÃ, wer du bist. Wilder Ingwer ist ohana von Elisa ⦠ist alte Zeit.«
Maja verstand nicht, was Mai noch sagte, doch sie war dankbar für die Zärtlichkeit und versuchte ein Lächeln. Mai nickte. »So ist es gut. Du bekommst Hilfe von Elisa, denn du machst ihr Museum. Du suchst ihre Bilder. Du schreibst ihre Geschichte auf ⦠Du hast keine Angst, nicht vor den dunklen Wahrheiten, den Grausamkeiten ⦠und dem Leid. Sabji? Was machst du?«
Irritiert sah Mai zu ihrer Schwester. Sie hatte begonnen, sich zu kratzen, wie sie es bisweilen tat, wenn ihr etwas gegen den Strich ging. Ihr wurde wahrscheinlich langweilig bei dem ganzen emotionalen Quatsch.
Weich waren die Wellen am Strand und wunderbar warm. Bis zum Nabel stand Maja im Wasser, flankiert von den Schwestern in ihren altmodischen Badeanzügen, die jetzt um die Wette kicherten. Sie fanden Majas Bekleidung amüsant.
»Waiu poâoleka«, war ihr Bikinioberteil, was so viel bedeutete wie Brust-Briefmarke. Ihr Bikini war vom letzten Jahr und passte ihr tatsächlich nicht mehr, doch sie hatte keine Zeit gehabt, sich einen neuen zu kaufen. AuÃerdem würde sie bestimmt nach der Geburt bald wieder reinpassen. Es war ein besonders schöner Bikini, doch jetzt war er zwei KörbchengröÃen zu klein. Das Höschen im Marinelook verschwand unter ihrem Achtmonatsbauch. Doch wen kümmerte es? Ohnehin waren nur wenige Menschen in der abgelegenen Bucht.
Für Maja zählte das wunderbare Gefühl, ihr Kind im salzigen Wasser zu schaukeln. Badevergnügen hatte sie sich die letzten Monate wegen der vielen Arbeit am Haus nur selten
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