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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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gegönnt.
    Mai fixierte Maja. »Du musst Elisas Geschichte so erzählen, wie sie war. Die ganze Wahrheit, auch die guten Geschichten im Roten Haus. Die Männer, die kamen, sie haben die Mädchen manchmal geliebt … Es sollte nicht alles kapu sein, ein Tabu. Die Liebe der Körper hat viel Schönheit, hat Elisa gesagt …«
    Schön sah das Gesicht der alten Mai aus. Ihre Augen waren vom Alter ausgebleicht, ihre Haare fast weiß und die lederartige Haut faltig wie eine zerknitterte Tageszeitung. Sie hatte in ihrem Leben schon so viel gesehen und erlebt, trotzdem kam sie Maja auch irgendwie jung und kindlich vor.
    Gemeinsam sahen sie zum Horizont. Das tiefe Blau der Riffe wechselte sich mit dem Türkis der Sandbänke ab. Beinahe windstill war es. Ein traumhafter Tag und vor allem friedlich, unendlich friedlich. Unvermittelt begann Mai zu sprechen.
    Â»Hier war es, damals, im Jahr 1947. An dieser Stelle hier ging Elisa ins Meer. Hand in Hand mit ihrem Kelii ging sie immer weiter, und als sie nicht mehr stehen konnten, schwammen sie nebeneinander. Während die Kahuna am Strand sangen, wurden ihre Köpfe immer kleiner. Hinter dem Riff der Haie da draußen verschmolzen sie mit dem Horizont …«
    Maja war überrascht. »Wirklich? An dieser Stelle? Hier ging ich immer mit Keanu zum Schwimmen, bevor wir zu viel Arbeit mit dem Haus hatten. Weiß Keanu davon?«
    Mai nickte. »Natürlich weiß er es. Wenn wir können, dann schwimmen wir alle in dieser Bucht, die ganze Familie. Wo denn auch sonst? Willst du etwa da ins Wasser gehen, wo die haole-Touristen die Luft mit ihrem Gestank verpesten?«
    Maja wusste nicht, was sie sagen sollte, doch weitere Worte waren nicht nötig. Mai sah prüfend auf den Stand der Sonne und zeigte zum Riff der Haie. »Los, fangen wir an. Meine Zunge zerfleddert sonst vom vielen Reden … Pah! Worte. Was sind schon Worte gegen unseren Ozean …«
    Sie begann mit ihren Händen in den Wellen vor Majas Bauch Kreise zu ziehen, in der Form einer liegenden Acht. Dabei sang sie hawaiische Worte zu einer Melodie, die Maja merkwürdig vertraut vorkam. Es war ein Kinderlied.
    Zu dritt standen sie auf dem sandigen Meeresboden, das Wasser ging Maja bis zur Brust. Gelegentlich kam eine kleine Welle, die ein wenig höher schwappte als die anderen. Der Gesang von Mai lullte Maja ein. Sie fühlte sich wohlig müde und war froh, dass Sabji sie im Wasser unterhakte.
    Mai flüsterte: »So ist es gut, entspann dich und schließe deine Augen. Dann konzentriere dich auf die Mitte deiner Stirn. Spüre, wie es dort wohlig warm wird, nur das. Nur diese Wärme sollst du spüren, als ob eine liebevolle Hand auf deiner Stirn liegt, die Hand einer Mutter. Und dann lass mein Lied mitten in diese Wärme fließen …«
    Maja schwankte ein wenig auf dem sandigen Untergrund. Sie fühlte sich mit geschlossnen Augen unsicher und wollte sie schon öffnen, als Mai erneut das Lied begann. Eine plötzliche Wärme breitete sich strahlenförmig von der Mitte ihrer Stirn in Richtung Schläfen aus. Sabji berührte sie dort drei Mal kurz nacheinander. Oder war es Mai?
    Das Lied schläferte Maja ein. War es ein altes deutsches Kinderlied, gesungen mit hawaiischen Worten? Oder war es umgekehrt? Dann meinte sie, Ingwerwurzel zu riechen, frisch geriebenen und scharf. Sie war dabei, die Orientierung zu verlieren.
    Das Singen wurde lauter, dann wieder leiser. Sabjis Hand lag beruhigend auf ihrer Schulter. Dann beendete Mai ihr Lied mit einem einzigen Wort. Mano, Hai.
    Maja musste ihre Augen noch geschlossen halten.
    Â»Konzentrier dich! Was für eine Farbe siehst du aus dem Dunkel kommen, wenn du deine Augäpfel nach oben rollst? Ist es ein Blau, leuchtend wie der Ozean, oder die Feder von einem männlichen Pfau?«
    Sie versuchte, sich im Meer zu konzentrieren, aber ihr war mit einem Mal eisig kalt. Eigentlich wollte sie raus aus dem Wasser, doch den Alten zuliebe blieb sie und versuchte, eine Farbe zu sehen.
    Hinter geschlossenen Augen verdrehte sie ihre beiden Pupillen nach oben, bis es schmerzte. Doch da war keine blaue Farbe, auch kein Pfau wartete auf sie. Zunächst sah sie nur Schwarz.
    Â»Du musst warten … aus dem Schwarz kommt die Farbe. Lass dir Zeit …«
    Das Meer schien Maja jetzt ganz still und unendlich weit. Die sanften Wellen rollten lautlos an den Strand, und dennoch spürte Maja eine enorme

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