Insel der Sehnsucht, Insel des Gluecks
Dennoch gelang es Chloe ohne Schwierigkeiten, ungesehen an Deck zu gelangen. Im Dunkeln tastete sie sich den steilen Niedergang hinunter und durch den Flur zu den Kabinen. Plötzliche Geräusche auf Deck ließen sie erschrocken zusammenfahren. In Panik öffnete sie die erstbeste Tür und flüchtete sich hinein.
In der Kabine war es stockdunkel. Sogar vor den Bullaugen waren Vorhänge vorgezogen, so dass Chloe nichts von ihrer Umgebung erkennen konnte. Unter ihren Füßen spürte sie das regelmäßige Brummen der Motoren. Mit angehaltenem Atem lauschte sie in die Dunkelheit. Doch anscheinend kam niemand hier herunter. Vielleicht würden die Kriticos erst unter Deck gehen, wenn die Yacht auf See war.
Erst jetzt wurde Chloe richtig bewusst, in welcher Gefahr sie auf Eos gewesen war. Leon übte immer noch eine viel zu starke Anziehung auf sie aus. Mehr als einmal war sie kurz davor gewesen, ihm gegenüber wieder schwach zu werden.
Das Motorengeräusch veränderte sich. Die schnittige Yacht schoss pfeilschnell aufs Meer hinaus. Chloe hörte, wie das Wasser gegen den Rumpf klatschte, stellte sich vor, wie die Yacht anmutig die dunklen Fluten teilte, und atmete auf.
Vorsichtig tastete sie sich durch die Kabine, bis sie an ein Bett gelangte, und sank müde darauf. Sie hatte es geschafft! Sie war von Eos, sie war Leon entkommen. Warum aber empfand sie dieses unerklärliche Gefühl von Enttäuschung?
Plötzlich wurde die Kabinentür geöffnet. Vom Flur fiel blendend helles Licht herein. Chloe setzte sich auf, räusperte sich und machte sich bereit, ihre vorbereitete Entschuldigung und Erklärung vorzutragen. Sie hatte sich entschieden, einen Streit mit Leon als Ausrede für ihre Flucht von Eos anzugeben.
In Gedanken war sie so sehr mit dem beschäftigt, was sie sagen wollte, dass es einen Moment dauerte, bis sie die große dunkle Gestalt erkannte, die dort auf der hell erleuchteten Türschwelle stand. Fassungslos flüsterte sie seinen Namen.
"Leon!"
"Überrascht?"
Er betrat die Kabine, schloss die Tür und knipste das Licht an. Der gedämpfte Schein eleganter Lampen beleuchtete eine Kabine, die exklusiver und luxuriöser eingerichtet war als jedes Schlafzimmer, das Chloe je gesehen hatte. Staunend ließ sie den Blick über Vorhänge aus pfirsichfarbener Seide gleiten, farblich passend zu der kunstvoll bestickten Bettdecke, und über geschmackvolle, maßgefertigte Möbel, wie sie sie bisher nur in exklusiven Einrichtungsmagazinen bewundert hatte. Ein weicher, samtener Velourteppich, ebenfalls in einem schmeichelnden Pfirsichton, bedeckte den Boden, und eine seitliche Tür führte vermutlich in das angrenzende Bad.
"Die Hauptkabine", sagte Leon locker. "Gefällt sie dir?"
"Was tust du denn hier?" Chloe hatte endlich ihre Sprache wieder gefunden. Leon war der Letzte, den sie sehen wollte.
Fast flehentlich blickte sie zur Tür, ob denn nicht bald einer ihrer unfreiwilligen Gastgeber auftauchen wurde, um sie aus dieser Situation zu befreien.
"Diese Frage könnte ich eigentlich dir stellen", entgegnete Leon. "Aber wir wissen ja beide ganz genau, was du hier tust -
oder was du hier zu tun glaubst. Du hast versucht, mir davonzulaufen, nicht wahr? Du wolltest die Abreise der Kriticos dazu ausnutzen, um selber von Eos zu entkommen."
"Und ich habe es geschafft!" erwiderte Chloe mutig, wobei sie mit einem Blick den Abstand zwischen sich und der Tür abschätzte. Sicherlich würde Leon keine hässliche Szene vor seinen Freunden riskieren, oder?
"Meinst du?"
Chloe wollte sich nicht Bange machen lassen. "Natürlich!
Und wenn du mich in Athe n nicht von Bord gehen lässt, werde ich deinen Freunden alles sagen."
"Wirklich alles?" Leons ganze Haltung verriet mühsam beherrschten Zorn. "Zum Beispiel, dass du das Schloss an meinem Schreibtisch aufgebrochen und dir deinen Pass genommen hast, nachdem du vergeblich versucht hattest, Marisa dazu zu überreden? Willst du ihnen das sagen, Chloe? Oder richtiger, würdest du ihnen das sagen, wenn sie hier wären?"
Sein Lächeln jagte Chloe einen kalten Schauer über den Rücken. "Du warst schlau, meine geliebte Frau, aber nicht schlau genug. Vor dem Abendessen wollte ich noch einige Unterlagen für Alexandros aus meinem Arbeitszimmer holen und habe das aufgebrochene Schloss entdeckt. Und als wäre das nicht genug, kam Marisa vorhin zu mir und sagte mir, du hättest sie gebeten, meinen Schreibtisch nach ihrem Pass zu durchsuchen. Sobald ich wusste, dass du deinen Pass wieder hast, war
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