Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
allein?«
»Nein.« Jo stellte eine Flasche Wein in den Korb. »Nathan kommt mit.«
»Nathan?« Lexy schwang sich auf die Theke und nahm einen grünglänzenden Apfel aus der Obstschale. »Was für ein Zufall.« Lächelnd rieb Lexy den Apfel an ihrer Bluse, genau zwischen den Brüsten, sauber.
»Ach ja?«
»Ja. Ich komme gerade von ihm.«
»Aha.« Jo erstarrte, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.
»Mmm-hmm.« Lexy gefiel es, ihre Schwester an der Nase herumzuführen. Genüßlich biß sie in den Apfel. »Ich bin zufällig an seinem Cottage vorbeigekommen. Er saß auf der Veranda und hat mich zu einem Eiskaffee eingeladen.«
»Aber du magst doch gar keinen Eiskaffee.«
Lexy ließ ihre Zunge in die Backentasche wandern. »Die Geschmäcker ändern sich. Er hat mir den Entwurf gezeigt, an dem er gerade arbeitet. Eine Villa in Mexiko.«
»Ich wußte nicht, daß dich Grundrisse interessieren.«
»Oh, mich interessieren viele Dinge.« Mit teuflischem Funkeln in den Augen biß sie abermals in den Apfel. »Besonders gutaussehende Männer. Er ist große Klasse.«
»Ich wette, dein Interesse schmeichelt ihm ungemein«, sagte Jo trocken und knallte den Deckel des Picknickkorbs zu. »Ich dachte, du wolltest Giff einen Besuch abstatten.«
»Hab’ ich auch.«
»Dann hattest du ja viel zu tun.« Jo griff nach dem Korb und schulterte die Kameratasche. »Ich muß jetzt los, sonst ist das beste Licht weg, bevor ich ankomme.«
»Habt ein nettes Picknick. Ach, Jo? Würdest du Nathan schöne Grüße von mir ausrichten?«
Nachdem die Tür krachend ins Schloß gefallen war, hielt Lexy sich den Bauch vor Lachen. Noch ein Tip, Nathan, dachte sie. Bring das grünäugige Monster ruhig ein bißchen auf die Palme – deine Belohnung wird um so süßer sein.
Sie würde es mit keiner Silbe erwähnen. O nein, sie würde auf keinen Fall so tief sinken, es auch nur beiläufigst zur Sprache zu bringen. Jo rückte das Stativ zurecht und beugte sich hinunter, um durch den Sucher den richtigen Winkel festzulegen.
Hier war die Brandung noch viel stärker und überspülte den wilden Küstenstreifen mit Wellen und Gischt. Die Möwen kämpften gegen den Wind an und stießen dabei ihre heiseren Schreie aus.
Die Luft flimmerte vor Hitze und Feuchtigkeit.
Die südliche Begrenzungsmauer des alten Klosters stand noch, die steinerne Einfassung des schmalen Torbogens war intakt. In der Öffnung tanzten Licht und Schatten, wanden sich wilde Ranken. Sie wollte diesen verlassenen Anblick einfangen – die hohen Grasbüschel, die vom Wind angehäuften Sandhügel.
Sie wollte keine Bewegung und mußte den richtigen Moment zwischen zwei Windböen abpassen. Eine karge Landschaft, dachte sie. Alles muß scharf zu sehen sein – die Beschaffenheit des Steins, die Ranken, der Sand, all die unterschiedlichen Grautöne.
Um das zu erreichen, mußte sie die Verschlußzeit vergrößern und eine kleinere Brennweite wählen. Sie richtete das Objektiv etwas horizontaler aus – sie wollte, daß das Bild leer und verlassen wirkte.
Als sie ein leises Klicken hörte, richtete sie sich unwillkürlich auf. Nathan ließ seine Kamera sinken.
»Was machst du?«
»Ein Foto.« Unbemerkt hatte er schon drei andere geschossen. »Du hast so schön konzentriert ausgesehen.«
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Ein Foto, das unbemerkt entstanden war. Aber sie zwang sich zu einem Lächeln. »Laß uns die Kameras tauschen, damit ich dich aufnehmen kann.«
»Ich habe eine bessere Idee. Wir setzen uns vor die Ruine und knipsen uns mit dem Selbstauslöser.«
»Meine Kamera ist nicht besonders gut für Porträtaufnahmen geeignet, Nathan.«
»Macht doch nichts, es muß ja auch nicht perfekt sein.« Er legte seine Kamera zur Seite. »Nur ein nettes Urlaubsfoto von uns beiden.«
»Wenn ich einen Filter hätte…« Sie wandte den Kopf, blinzelte in die Sonne, murmelte vor sich hin, richtete die Kamera ein, kalkulierte Brennweite und Belichtungszeit und zuckte die Achseln.
»Aber Jo.« Er gab sich Mühe, nicht zu lachen. »Es soll doch nur ein Schnappschuß sein.«
»Nein. Stell dich auf die linke Seite der Maueröffnung. Einen halben Meter daneben.«
Sie wartete geduldig, bis er dort stand, wo sie ihn haben wollte. Das Licht war zu hart. Mit einem Reflektor und einem Filter könnte sie ein richtig gutes Bild machen. Er sah verdammt gut aus. An den verwitterten Stein gelehnt, wirkte er stark und lebendig. So männlich und voller Kraft. So sexy, mit dem grauen
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