Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
weitersehen. »Und selbst wenn du das Virus aufschnappen würdest, ist das Risiko, daß das Baby
dadurch geschädigt würde, sehr gering. Aber warum machen wir nicht noch schnell einen Test, um sicherzugehen. Ich könnte dich dann noch rasch untersuchen. Dann wüßten wir, wie weit du bist.«
»Ja, gerne, dann würde ich mich viel besser fühlen.«
»Also, dann los. Wer ist dein Frauenarzt?«
»Als ich mit Yancy schwanger war, bin ich immer rüber aufs Festland gefahren, in die Klinik. Aber ich dachte, daß ich mich dieses Mal in deine Obhut begeben könnte.«
»Darüber können wir später sprechen. Irene Verdon sitzt schon im Wartezimmer. Ich werde sie bitten, sich für ein paar Minuten um Yancy zu kümmern. Und nach der Untersuchung geht ihr beide nach Hause und legt euch hin. Auch du brauchst jetzt Ruhe.«
»Ich habe das Gefühl, daß wir bei dir in guten Händen sind, Kirby«, sagte Annie und strich sich lächelnd über ihren Bauch. »Wir alle vier.«
Um eins hatte Kirby zwei weitere Fälle von Windpocken diagnostiziert, einen gebrochenen Finger geschient und eine Blasenentzündung behandelt. So ist es halt, dachte Kirby, als sie nach dem Erdnußbutterglas griff, das Leben als praktische Ärztin.
Bis zum nächsten Termin hatte sie eine halbe Stunde Zeit, in der sie sich entspannen und in Ruhe etwas essen wollte. Als sich die Tür öffnete, mußte sie sich beherrschen, um nicht aufzustöhnen.
Es war ein Fremder. Sie kannte inzwischen jedes Gesicht auf der Insel, aber dieses hatte sie noch nie gesehen. Sie stufte ihn sofort als einen dieser Strandtouristen ein, die von Zeit zu Zeit auf die Insel kamen, der Sonne und der Brandung wegen.
Sein sonnengebleichtes Haar reichte ihm bis auf die Schultern, sein Gesicht war tiefbraun. Er trug eine abgeschnittene Jeans, ein T-Shirt mit Cozumel-Aufdruck und eine Wayfarer-Sonnenbrille mit dunklen Gläsern.
Ende Zwanzig, schätzte sie. Sauber und attraktiv. Sie legte ihr Sandwich zur Seite und erwiderte sein zögerndes Lächeln.
»Entschuldigen Sie.« Er warf einen Blick durch den Raum. »Bin ich hier richtig? Mir wurde gesagt, daß hier ein Arzt ist.«
»Ich bin Doktor Fitzsimmons. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe keinen Termin.« Er blickte flüchtig auf das Sandwich. »Soll ich einen ausmachen?«
»Warum brauchen Sie denn einen?«
»Deswegen…« Er streckte ihr die Hand entgegen. Die Handfläche war schlimm verbrannt, krebsrot mit nässenden Blasen.
»Sieht böse aus.« Automatisch machte sie einen Schritt auf ihn zu und griff nach Hand, um sie zu untersuchen.
»Es war saublöd. Das Kaffeewasser kochte über, und ich habe ohne nachzudenken nach dem Topf gegriffen. Ich wohne drüben auf dem Campingplatz. Ich hab’ den Jungen im Empfangshäuschen nach einem Arzt gefragt, und er hat mir Ihren Namen genannt.«
»Kommen Sie mit rüber ins Sprechzimmer. Ich säubere die Wunde und verbinde sie.«
»Ich bin mitten in Ihre Mittagspause geplatzt.«
»Kann schon mal passieren in diesem Job. Sie zelten also?« sagte sie, als sie ihren Patienten ins Sprechzimmer führte.
»Ja, ich will noch weiter runter auf die Keys, ein bißchen arbeiten. Ich bin Maler.«
»Ach ja?«
Er nahm auf dem Stuhl Platz, den Kirby ihm zuwies, und betrachtete dann stirnrunzelnd seine Handfläche. »Ich fürchte, das setzt mich erst mal für ein paar Wochen außer Gefecht.«
»Es sei denn, Sie versuchen’s mit links«, sagte Kirby lächelnd, während sie sich die Hände wusch und Handschuhe überstreifte.
»Ich habe ohnehin dran gedacht, etwas länger hierzubleiben. Ich finde es toll hier.« Als Kirby begann, die Wunde zu säubern, hielt er den Atem an. »Tut höllisch weh.«
»Kann ich mir vorstellen. Ich empfehle Aspirin. Und einen Topflappen.«
Er lachte kurz auf und zuckte dann wieder vor Schmerz zusammen. »Ich habe Glück, daß es hier überhaupt einen Arzt gibt. So etwas kann sich schnell entzünden, oder?«
»Ja, aber wir werden dafür sorgen, daß es das nicht tut. Was malen Sie denn?«
»Was mir ins Auge fällt.« Er lächelte sie an. »Haben Sie Lust, mir Modell zu stehen?«
Lachend manövrierte sie ihren mit Rollen versehenen Stuhl rüber zu der Schublade, in der sie die Salben aufbewahrte. »Ich glaube nicht, vielen Dank trotzdem.«
»Sie haben ein faszinierendes Gesicht. Mit schönen Frauen erziele ich sehr gute Ergebnisse.«
Sie blickte hoch. Seine Augen waren hinter den getönten Gläsern seiner Brille nicht zu erkennen. Und obwohl sein Lächeln im
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