Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
an.« Entschlossen packte sie seinen Arm und zog ihn ins Sprechzimmer. »Setz dich hin, und benimm dich wie ein erwachsener Mann. Wann bist du zum letztenmal gegen Tetanus geimpft worden?«
»Geimpft? Jetzt hör mal …«
»Muß also schon lange her sein.« Sie wusch sich rasch die Hände, legte die nötigen Instrumente auf ein Edelstahltablett und setzte sich mit einer Flasche Desinfektionslösung vor ihn. »Darum kümmern wir uns nachher. Ich werde das hier säubern und desinfizieren, dann gebe ich dir eine örtliche Betäubung.«
Sein Herz klopfte im selben Takt wie die Wunde, beide immer schneller. »Eine örtliche … Betäubung?«
»Genau. Von den Stichen wirst du nichts spüren.«
»Warum hast du nur so ein Faible für Nadeln?«
»Beweg jetzt bitte deine Finger«, wies sie ihn an. »Gut. Wenigstens sind keine Sehnen durchtrennt. Du hast doch nicht etwa Angst vor Nadeln, Brian?«
»Nein, natürlich nicht.« Als sie nach der Spritze griff, wich alles Blut aus seinem Gesicht. »Doch. Verdammt, Kirby, komm mir damit nicht zu nahe.«
Sie lachte nicht, obwohl er sich dessen ganz sicher gewesen war. Statt dessen schaute sie ihm ernst in die Augen. »Hol tief Luft, atme aus, dasselbe noch mal, und schau auf das Bild über meiner rechten Schulter. Sieh einfach nur das Bild an, und zähle deine Atemzüge. Eins, zwei, drei. So, ein kleiner Stich, und das war’s«, murmelte sie, als sie die Nadel unter seine Haut schob. »Zähl schön weiter.«
»Okay, es geht schon.« Den Blick starr auf das Lilien-Aquarell gerichtet, spürte er, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterrann. »Der beste Zeitpunkt, um eine dumme Bemerkung zu machen.«
»Ich habe in der Notaufnahme gearbeitet. Habe in dem Jahr mehr Blut gesehen als ein normaler Mensch in seinem ganzen Leben. Schußverletzungen, Messerstiche, Autounfälle. Nie bin ich so nah am Rand der Panik gewesen wie eben, als dein Blut auf meinen Küchenboden getropft ist.«
Er wandte den Blick von dem Bild ab und sah ihr in die Augen. »Ich wische es gern wieder auf.«
»Dummkopf.« Sie nahm ein steriles Tuch, um die Wunde abzudecken, und griff nach der Nadel.
Er blickte hinab und sah, wie die Nadel samt Faden seine Haut durchbohrte. Sein Magen drehte sich. Er atmete wieder tief durch und richtete den Blick auf das Aquarell. »Es muß nicht schön werden. Hauptsache, es geht schnell.«
»Ich bin berühmt für meine ordentlichen kleinen Stiche. Entspann dich und atme weiter.«
Da es noch demütigender gewesen wäre, vor ihr ohnmächtig zu werden, versuchte er zu gehorchen. »Ich habe keine Angst vor Nadeln – ich mag sie einfach nicht.«
»Das ist eine verbreitete Phobie.«
»Ich habe keine Phobie. Ich mag’s nur einfach nicht, wenn man mich piekst.«
Sie hielt den Kopf gesenkt, damit er ihr Lächeln nicht sah. »Sehr verständlich. Womit ist Lexy dir auf den Nerv gegangen?«
»Mit dem üblichen. Mit allem.« Er versuchte, das Ziehen zu ignorieren, als sie die Wundränder zusammenzog. »Ich bin gefühllos. Ich kümmere mich nicht um sie – und um niemanden sonst. Ich verstehe sie nicht. Keiner versteht sie. Wenn ich ein richtiger Bruder wäre, würde ich ihr fünftausend Dollar leihen, damit sie zurück nach New York gehen und ein Star werden kann.«
»Ich habe gedacht, sie wollte den Sommer über hierbleiben.«
»Sie hatte wohl Streit mit Giff. Und weil er ihr nicht hinterherläuft, ist die Dame übellaunig. Bist du bald fertig?«
»Zur Hälfte«, antwortete sie geduldig.
»Zur Hälfte. Prima. Wunderbar.« Wieder hob sich sein Magen. Okay, denk an was anderes. »Wer war denn der Strandläufer?«
»Wer? Ach, die Brandwunde. Sagt, er sei Künstler, auf dem Weg runter zu den Keys. Er bleibt eine Zeitlang drüben auf dem Zeltplatz. Ich weiß noch nicht mal, wie er heißt.«
»Was für ein Künstler?«
»Maler, glaube ich. Er wollte, daß ich ihm Modell stehe. Verdammt, halt still«, sagte sie, als seine Hand zuckte.
»Was hast du ihm geantwortet?«
»Ich fühlte mich geschmeichelt, vielen Dank, hätte aber für so was keine Zeit. Irgendwie hat er mich nervös gemacht.«
Mit seiner freien Hand packte Brian ihre Schulter, so daß Kirby fluchte. »Verdammt, nur noch ein paar Stiche.«
»Hat er dich angerührt?«
»Was?« Nein, was da in seinen Augen funkelte, war weder Angst noch Schmerz. Es war Wut. Kirby genoß es. »Aber klar, Brian. Mit einer Hand hat er mich zu Boden gerungen und mir dann die Klamotten vom Leib gerissen.«
Brians Finger gruben
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