Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
gönnen.«
»Falls er je wiederkommt, werde ich ihn nicht mal ansehen.«
Kate tätschelte Jos Knie. »Das meine ich aber auch.«
Jos Augen verengten sich. »Ich dachte, du magst ihn.«
»Tue ich auch. Sehr sogar. Aber wenn er dich unglücklich macht, endet meine Sympathie für ihn. So, und jetzt los«, befahl sie Jo, während sie selbst aufstand. »Schnapp dir deine Kamera und mach dich an die Arbeit. Und wenn er wiederkommt, wird er sehen, daß das Leben auch ohne ihn weitergegangen ist.«
»Du hast absolut recht. Ich werde gleich meinen Verleger anrufen und ihm das Okay für die letzten Fotos durchgeben. Und dann geh ich raus und mache ein paar neue Aufnahmen. Ich hab’ nämlich schon eine Idee für das nächste Buch.«
Lächelnd beobachtete Kate, wie Jo vom Bett sprang und in ihre Schuhe schlüpfte. »Das ist ja großartig. Werden dann auch Bilder von der Insel darin sein?«
»Ja, viele sogar. Und diesmal auch Menschen. Gesichter. Niemand soll mehr behaupten, ich sei einsam und würde mich hinter meiner Kamera verstecken.«
»Das wird auch keiner, Schätzchen. So, ich laß dich allein, damit du an die Arbeit gehen kannst.« Vergnügt verließ Kate Jos Zimmer. Vielleicht kehrte jetzt ja ein wenig Friede ein.
Jos Begeisterung hielt an. Zum erstenmal in ihrer Laufbahn als Fotografin war sie auf der Jagd nach Gesichtern, die sie durch die Kamera studieren, sezieren konnte: Giffs funkelnde Augen unter dem Schild der Baseballkappe, die Art, wie er mit dem Hammer umging; Brians konzentrierter, selbstvergessener Blick, wenn er an seiner Arbeitsplatte in der Küche stand.
Aber am einfachsten war Lexy zu fotografieren. Sie liebte es, zu posieren. Doch Jos Lieblingsaufnahme war ein Foto, das Lexy und Giff im Garten zeigte, der glückliche Ausdruck auf ihren Gesichtern, als Giff Lexy in der Luft herumwirbelte.
Nicht einmal ihren Vater ließ Jo aus. Bei einem abendlichen Spaziergang fing sie den so typischen, nachdenklichen Blick ein, mit dem er über die Sümpfe schaute.
»Aber jetzt legst du das Ding weg«, sagte Sam mit gerunzelter Stirn, als Jo die Kamera abermals auf ihn richtete. »Kann mich nicht erinnern, daß du mir früher damit so auf die Nerven gefallen bist.«
»Inzwischen bin ich ja auch berühmt. Meine Fans jubeln, sobald ich die Kamera in die Hand nehme.« Als ein leises Lächeln über sein Gesicht huschte, drückte sie den Auslöser. »Du siehst gut aus, Daddy. Hier draußen wirkst du wie ein König.«
»Wenn du so verdammt berühmt bist, solltest du den Leuten keinen Honig ums Maul schmieren müssen, um ein Bild von ihnen zu bekommen.«
Lachend ließ Jo die Kamera sinken. »Stimmt. Aber du siehst wirklich gut aus. Heute nachmittag hab’ ich Elsie Pendleton fotografiert. Die Witwe Pendleton, du weißt schon. Sie hat sich nach dir erkundigt. Mehrmals sogar.«
»Seit dem Tag, an dem sie ihren Mann begraben hat, sucht sie nach einem Ersatzmann. Ich werde es bestimmt nicht sein.«
»Wofür dir deine Familie sehr dankbar ist.«
Wieder mußte Sam grinsen. So kannte er weder sie noch sich selbst. »Du bist heute so gut gelaunt.«
»Eine nette Abwechslung, findest du nicht? Ich hatte mich selbst satt.« Sie hockte sich hin, um das Objektiv zu wechseln. »Es war für mich höchste Zeit, etwas in meinem Leben zu verändern. Hierher zurückzukommen war vielleicht der Anfang.« Sie ließ den Blick über das Marschland wandern. »Mir über einiges klarzuwerden, mich selbst eingeschlossen. Ich habe begriffen, daß ich mich nicht geliebt gefühlt habe, weil ich gar nicht zugelassen habe, daß mich jemand liebt.«
Sie blickte auf und sah, daß er ihr Gesicht studierte. »Such sie nicht in mir, Daddy.« Sie schloß die Augen. »Such sie nie wieder in mir. Es tut mir weh, wenn du das tust.«
»Jo Ellen …«
»Mein ganzes Leben habe ich alles getan, um ihr nicht ähnlich zu sehen. Ich habe mich nie geschminkt, weil ich dann in den Spiegel hätte sehen müssen. Und dabei hätte ich sie gesehen, so wie du eben.« Tränen traten in ihre Augen. »Was soll ich tun, Daddy, damit du siehst, wer ich bin?«
»Ich sehe dich, doch ich sehe gleichzeitig auch sie. Bitte nimm es mir nicht übel, Jo Ellen, aber euch Frauen werde ich nie verstehen.« Er stemmte die Hände in die Hosentaschen und wandte sich ab. »Mit dir kann man reden, Jo Ellen, aber Lexy macht mich wahnsinnig. Sie ist so trotzig und störrisch. Ein falsches Wort, und sie ist zu Tode beleidigt. Wenn sie nicht bald diesen Giff heiratet, werde ich
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