Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
noch verrückt.«
Lächelnd schüttelte Jo den Kopf. »Ich habe gar nicht gewußt, daß du sie so sehr liebst, daß du dich von ihr zum Wahnsinn treiben läßt.«
»Natürlich liebe ich sie. Sie ist doch mein Mädchen, oder nicht?« Seine Stimme klang rauh. »So wie du.«
»Ja.« Jo lächelte. »So wie ich.«
Wenn das Licht nicht mehr viel hergab, zog sich Jo in die Dunkelkammer zurück. Gespannt machte sie sich ans Entwickeln. Nicht nur das Fotografieren selbst, sondern auch der Weg vom Film über die Negative zu den Kontaktabzügen war sehr
aufregend. Durch die Lupe betrachtete sie kritisch jede Aufnahme.
Von einem Dutzend Aufnahmen wurde vielleicht eine ihren Ansprüchen gerecht. Und doch füllte sich die Trockenleine rasch mit Abzügen, die ihr gefielen. Als ihr ein unmarkierter Film in die Hände fiel, schnalzte sie ärgerlich mit der Zunge.
Wie nachlässig, dachte sie. Sie stellte den Wecker ein, schaltete das Licht aus und machte sich ans Entwickeln. In der Dunkelheit fühlte sie sich wohl. Sie bewegte sich instinktiv, rein nach Gefühl. Die Spannung in ihr wuchs. Was würde sie gleich sehen? Welche Augenblicke würden für immer festgehalten sein, nur weil sie es in jenem Moment so entschieden hatte?
Sie schaltete die rote Lampe ein und stieß kurz darauf einen halb schockierten, halb amüsierten Schrei aus. Sie betrachtete sich selbst: nackt auf Nathans Teppich liegend.
Sie hielt den Streifen in die Höhe und studierte die anderen Negative, die Aufnahmen, die sie von dem Gewitter gemacht hatte. Als sie die Bilder sah, die Nathan vorher gemacht haben mußte, verzog sie den Mund.
Auf einem waren die Dünen mit den blühenden Wiesen im Vordergrund und dem aufgewühlten Meer mit den schaumbekrönten Wellen dahinter zu sehen. Nicht schlecht, dachte sie. Für einen Amateur. Aber auf den Kontaktabzügen würde noch der eine oder andere grobe Fehler zutage treten.
Ihr Blick wanderte zurück zum Ende der Filmrolle. Zu ihrem Gesicht, ihrem Körper. Als ihre Hand nach der Schere griff, um die Negative zu vernichten, hielt sie inne. War sie wirklich so prüde, so dickköpfig, daß sie ihre Neugier nicht befriedigte?
Außer ihr würde niemand die Bilder zu sehen bekommen.
Sie machte sich wieder an die Arbeit. Es konnte nicht schaden, Kontaktabzüge zu machen. Die mit ihr drauf konnte sie später immer noch zerreißen. Aber zuerst wollte sie sie sehen.
Jetzt summte sie nicht mehr zu der Musik aus dem Radio; sie war viel zu konzentriert und aufgeregt.
Der Bogen war kaum trocken, als sie ihn auf den Leuchttisch legte und nach der Lupe griff. Sie hielt den Atem an, als die Bilder größer wurden.
Sie sah so … lüstern aus. Ja, lüstern war wohl das passende Wort: die Augen halb geschlossen, die Lippen nach der sexuellen Befriedigung entspannt. Ihr Körper wirkte sehr weiblich. Offensichtlich hatte sie zugenommen, ohne es zu merken. Die Rundungen waren eindeutig vorhanden.
Noch nie zuvor hatte sie jemand so gesehen. Aber sie hatte es zugelassen, und eine Sekunde lang wünschte sie sich, es würde noch einmal geschehen.
Sie sehnte sich nach seiner Berührung, nach dem Gefühl, begehrt zu werden. Tief in ihrem Innern verlangte sie danach, wieder zu dieser Frau zu werden, die sie auf den Abzügen vor sich sah. Von ihm beherrscht zu werden und zu wissen, daß sie auch ihn beherrschen konnte.
Er hatte ihr dieses Gefühl gegeben, den Augenblick auf Film gebannt und sie dadurch gezwungen, zu begreifen, was er ihr gab. Und was sie verlieren konnte, wenn sie ihn verlor.
»Du Mistkerl, Nathan, dafür hasse ich dich.«
Sie stopfte den Kontaktbogen in eine Schublade. Nein, zerreißen würde sie ihn nicht. Sie wollte ihn als Erinnerung aufbewahren und immer dann wieder hervorholen, wenn sie sich versucht fühlte, einem Mann zu vertrauen.
»Jo Ellen«, ertönte Lexys Stimme, und im nächsten Augenblick klopfte es ungeduldig an der Tür.
»Ich arbeite.«
»Ja, ich weiß. Aber vielleicht nicht mehr lange. Rat mal, wer mit der Abendfähre angekommen ist.«
»Brad Pitt.«
»Wär’ das nicht toll. Aber ich wette, dir ist Nathan Delaney lieber. Er ist unten in der Küche. Er sucht dich.«
Jos Herz machte einen Satz. »Sag ihm, ich bin beschäftigt.«
»Ich hab’ ihm schon für dich die kalte Schulter gezeigt. Hab’ ihm gesagt, daß du keinen Grund hast, alles stehen- und liegenzulassen, nur weil er wieder aufgetaucht ist.«
»Gut gemacht, vielen Dank.«
»Aber du solltest – ach, mach doch endlich die
Weitere Kostenlose Bücher