Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
als Kate die Treppe hochlief. »Ich wollte gerade gehen.«
»Aber du hast doch bestimmt fünf Minuten Zeit für eine Limonade. Kate ist sonst beleidigt.«
»Einverstanden. Wenn ich den Hinterausgang nehme, bin ich ohnehin schneller zu Hause.« Sie drehte sich um und steuerte im Eiltempo die Küche an. Wenn er die Wahrheit über seine Mutter erfuhr, würde sie alles für ihn tun, was in ihrer Macht stand. Aber im Augenblick hatte sie genug mit sich selbst zu tun.
»Wie geht’s der Patientin?«
»Die könnte Tango tanzen, wenn sie wollte. Sie ist völlig in Ordnung.« Kirby betrat die Küche, und Brian nahm einen Krug voll goldgelber Limonade mit viel Fruchtfleisch und Minze aus dem Kühlschrank. Als ihr das Wasser im Mund zusammenlief, schluckte sie entschlossen. »Was macht deine Hand?«
»Ist schon wieder in Ordnung. Ich merke kaum noch was.«
»Wo ich schon da bin, würde ich sie mir gerne noch mal ansehen.« Sie stellte ihren Arztkoffer auf dem Frühstückstisch ab. »Die Fäden hätten vor ein paar Tagen gezogen werden sollen.«
»Ich dachte, du hättest es eilig.«
»So mußt du nicht extra zu mir rüberkommen.«
Mit dem Krug in der Hand hielt er inne und blickte sie an. Hinter ihrem Rücken fiel die Sonne durchs Fenster und ließ ihr Haar glänzen. Ihre Augen schimmerten dunkelgrün wie das stürmische Meer.
»Okay.« Er stellte das gefüllte Glas vor ihr ab und setzte sich.
Trotz der Hitze waren ihre Hände kühl. Und trotz ihrer Wut waren sie sanft. Sie konnte kein Anzeichen für eine Entzündung entdecken. Die Naht war gut verheilt und würde nur
eine kaum sichtbare Narbe hinterlassen. Kirby öffnete ihren Koffer und nahm die Schere heraus.
»Es geht ganz schnell.«
»Schneid bitte keine neuen Löcher in meine Hand.«
Mit einer geschickten Bewegung durchtrennte sie den ersten Faden und entfernte ihn mit der Pinzette. »Da wir beide auf dieser Insel wohnen und uns auch in Zukunft über den Weg laufen werden, sollten wir uns aussprechen.«
»Es ist alles gesagt, Kirby.«
»Für dich vielleicht, für mich nicht.« Sie durchtrennte das nächste Stück und zog. »Ich will wissen, warum du mir aus dem Weg gehst und warum du die Sache zwischen uns auf diese Weise beendet hast.«
»Weil sie weiter gegangen ist, als ich es wollte. Keiner von uns beiden hat daran geglaubt, daß es mit uns funktionieren könnte. Also habe ich als erster beschlossen, es zu beenden. Das ist alles.«
»Aha, verstehe. Du hast mich fallenlassen, bevor ich dich fallenlassen konnte.«
»Ja, so ungefähr.« Er wünschte, ihr Duft würde ihm nicht ständig in die Nase steigen. »Ich glaube, so war es am einfachsten.«
»Und du magst einfache Sachen, nicht wahr? Du magst es, wenn die Sachen so laufen, wie du es willst.«
Ihre Stimme klang sanft, aber er traute ihr nicht recht – um so weniger, als sie ein verdammt scharfes Instrument in der Hand hielt. Er nickte. »Stimmt. Aber du bist genauso, auf deine Art. Dir gefällt es genauso, wenn alles nach deinem Kopf geht.«
»Das würde ich so nicht sagen. Aber du hättest gern eine Frau, die tatenlos dasitzt und gespannt darauf wartet, was du als nächstes tust oder als nächstes willst. Und das paßt mir bestimmt nicht.«
»Nein, ganz sicher nicht. Und ich war nicht auf der Suche nach einer Frau oder einer Beziehung – wie auch immer du es nennen willst. Du bist mir nachgelaufen, du siehst gut aus, und irgendwann hatte ich es satt, ständig nein zu sagen.«
»Das ist wenigstens ehrlich. Beim Sex sind wir beide auf unsere Kosten gekommen – es gibt also keinen Grund, sich zu
beschweren.« Sie zog den letzten Faden. »Fertig.« Sie hob den Blick. »Das war’s, Brian. Die Narbe wird blasser werden. Bald wirst du dich nicht mal mehr daran erinnern, daß du dir weh getan hast. Ich gehe jetzt, nachdem das geklärt ist.«
Als sie sich erhob, blieb er sitzen. »Danke.«
»Vergiß es einfach«, sagte sie. »Ich mach’s genauso.« Sie verschwand durch den Hinterausgang und schloß leise die Tür hinter sich.
Erst als sie den Wald erreicht hatte, begann sie zu rennen.
»Na prima.« Brian griff nach Kirbys unberührter Limonade und stürzte sie mit wenigen großen Schlucken hinunter. Wie Säure traf die Flüssigkeit auf seinen verkrampften Magen.
Er hatte richtig gehandelt, oder nicht? So war es für ihn selbst und auch für sie das beste. Er hatte dafür gesorgt, daß die Sache nicht ausuferte, nicht zu tief ging und zu kompliziert wurde. Er hatte zwar ihren Stolz
Weitere Kostenlose Bücher